Um die über 1000 Himmelskörper in Starfield mit Inhalten zu füllen, setzt Bethesda nicht bloß auf Zufalls-Events, sondern lässt gleich ganze Orte dynamisch in der Welt erscheinen. Das klingt faszinierend, birgt aber auch enorme Risiken.
Locations spawnen "zufällig"? Oh, oh!
Starfield wird ein Spiel der Superlative. Es lässt euch die größte Spielwelt erkunden, die Bethesda Game Studios jemals gebaut hat. Mit Shooter-Gameplay, verzweigten Dialogen, einem umfangreichen Charaktersystem, Crafting, Basen- und Raumschiffbau, Flügen durchs All sowie Raumgefechten erweckt es den Eindruck, das Feature-reichste Spiel des Entwicklerstudios bisher zu werden. Und obwohl der abgebildete Teil der Milchstraße über 100 Sternsysteme mit mehr als 1000 Planeten umfasst, was die Nutzung von prozeduraler Generierung unabdingbar für Todd Howard und sein Team macht, lautet das Versprechen, dass es mehr handgebaute Inhalte als in allen vorherigen Bethesda-Spielen geben soll.
Nichtsdestotrotz: Die Welt von Starfield wird nicht für jeden Spieler exakt gleich ausfallen, denn wie Lead Quest Designer Will Shen in einer Folge des Videoformats "Constellation Questions" erklärt hat, wird das System der Zufallsbegegnungen im Vergleich zu Skyrim und Fallout 4 deutlich erweitert. In jenen Spielen beschränken sie sich darauf, dass euch Charaktere in der Welt über den Weg laufen und ansprechen oder miteinander interagieren. Wer erinnert sich nicht daran, wie in Himmelsrand jemand auf einen zu rennt, ein Item in die Hand drückt und wegläuft, woraufhin ein zweiter NPC auftaucht und darauf aufmerksam macht, dass er von der anderen Person bestohlen wurde?
In Starfield spawnen aber nicht einfach nur Figuren oder kleinere Objekte "zufällig", sondern ganze Locations: Außenposten, Forschungsstationen, Piratenbasen, was auch immer, mitunter gefüllt mit NPCs, die euch mit einer oder vielleicht sogar mehreren Quests versorgen. Im Video nennt Shen das Beispiel, dass die Leute euch darum bitten, einen entführten Kameraden zu retten – woraufhin ein weiterer Ort in der Welt erscheint, wo ihr eben genau diese Person und ihre Kidnapper findet.
Wird kein Spielerlebnis dem anderen gleichen?
Das klingt im ersten Moment eigentlich ziemlich cool. Theoretisch könnte es ja bedeuten, dass jeder Spieler andere Dinge auf seinen Reisen durch das All erlebt, eben abhängig davon, welche Locations das Spiel für ihn in der Welt platziert. Reddit-Nutzer emtdeedub findet diesen Gedanken sehr faszinierend. Er meint, man könne gar keine Komplettlösung schreiben, die für jeden Spieler gleichermaßen Gültigkeit hat, weil sich die Platzierung von seltenen Gegenständen, NPCs und Dungeons mitunter komplett unterscheiden werden. Und ja, das wäre in der Tat etwas, wodurch sich Starfield positiv von allen anderen Spielen abheben könnte – auch weil es einen hohen Wiederspielwert bedeuten könnte.
Es ist nachvollziehbar, dass Bethesda Game Studios so ein System verwenden muss. Die gigantische Starfield-Welt lässt sich nicht komplett händisch designen und mit interessanten Orten bestücken, ohne dass das Entwicklerteam Jahrzehnte damit beschäftigt wäre. Das ist eben der hohe Preis des Gigantismus', den Bethesda hier anstrebt und der uns schon bei der ersten Gameplay-Präsentation im Sommer 2022 Sorgenfalten auf die Stirn getrieben hat. Und ja, der Gedanke hinter dem Feature ist nicht nur nachvollziehbar, sondern in Anbetracht der Umstände eigentlich sehr gut: Wenn ihr auf einem fremden Planeten landet, wo ihr noch nie zuvor gewesen seid, wollt ihr dort ja irgendwas finden, das euch a) weiterbringt in eurem Fortschritt und b) ein spaßiges Erlebnis beschert.
Sicherlich wird es ein paar öde Himmelskörper in Starfield geben, auf denen sich außer Ressourcen nichts finden lässt, weil sie völlig unbewohnt sind – und die darf es auch geben. Allerdings dürfen die auch nicht zu zahlreich sein, sonst wird die Erkundung der Welt schnell langweilig und somit frustrierend. Weil die Planeten selbst ziemlich groß ausfallen und es auch noch so viele von ihnen gibt, ist ein System, das Locations direkt in eurer Nähe spawnen lässt, sehr sinnvoll.
Gespawnt, um zu bleiben?
Das Ganze birgt aber auch große Gefahren – sowohl auf inhaltlicher als auch technischer Ebene. Es stellt sich die Frage nach der Persistenz: Wenn euch in einem Skyrim zufällig ein Charakter über den Weg läuft, bleibt der ja nicht für immer dort stehen, wo ihr ihn trefft. Dass er also nach Ablauf des Events beziehungsweise seiner Quest verschwindet, ist vollkommen in Ordnung. Doch eine Piratenbasis, die dynamisch auf einem Planeten platziert wird, damit ihr sie ausräuchern könnt, sollte jawohl immer noch dort stehen, wenn ihr 10, 20 oder 30 Stunden später zurückkehrt (warum auch immer ihr das tun solltet).
Wenn die Spielwelt von Starfield nun aber mit immer mehr dieser Locations gefüllt wird, je länger ihr spielt und je mehr Planeten ihr mit eurem Raumschiff ansteuert, wird das nicht irgendwann zu viel für die Creation Engine 2? Drohen Spielstände immer instabiler zu werden, je länger man spielt? Und wie groß bitte werden die Speicherstanddateien? Wir wissen, wie es um den technischen Zustand von Bethesda-Spielen zum Launch in der Regel bestellt ist. So riesig und ambitioniert sie sind, so fehlerbehaftet sind sie auch stets. Und es gäbe doch kaum etwas Frustrierenderes, als wenn man einen langen Spielstand nicht mehr vernünftig weiterzocken kann, weil zum Beispiel das Spiel ständig abstürzt.
Die Angst vor Déjà-vus
Ein weiteres potenzielles Problem ist das, was immer droht, wenn Zufallselemente eine Spielwelt in großem Stil prägen: dass viele Inhalte generisch wirken. Nun wissen wir nicht, ob die Locations, die dynamisch in der Welt spawnen, auch selbst prozedural generiert sind. Das hat Bethesda Game Studios so bislang nicht kommuniziert. Es kann also sein, dass es sich um handgebaute Orte mit handgebauten Quests handelt. Aber fest steht, dass diese Schauplätze und Aufgaben immer zu dem Planeten passen müssen, auf dem ihr sie findet. Wenn nun beispielsweise eine Piratenbasis auf Summe X an Himmelskörpern erscheinen kann, kann sich die Story, die sich darin abspielt, gar nicht auf einen bestimmten davon beziehen. Stattdessen muss sie in einem gewissen Maß generisch sein, damit sie ohne Probleme überall stattfinden kann.
Des Weiteren stellt sich die Frage, wie groß die Bandbreite dieser "Zufallsorte" ist. Wie viele verschiedene Piratenbasen und Forschungsstationen gibt es? Wie stark fallen die Unterschiede zwischen ihnen aus? Sehen sie sich alle sehr ähnlich und unterscheiden sich nur in der Anordnung der Räume? So sehr Bethesda auch betont, dass es ganz viele handgebaute Orte und Quests in Starfield gebe, dieses System macht uns trotzdem Sorgen, dass der Großteil der Spielwelt mit extrem generischen Inhalten gefüllt sein wird. Es kann sogar sein, dass Dopplungen auftreten. Die Welt ist so riesig, dass Bethesda unmöglich so viele Orte designen kann, dass es sich jedes Mal, wenn so einer in eurer Nähe spawnt, um einen einzigartigen Schauplatz handelt - es sei denn, die Locations sind entweder doch prozedural generiert oder erscheinen verhältnismäßig selten.
Das Setting bedingt eine große Varianz
Nun wird manch einer behaupten, dass das ja auch schon in Skyrim so gewesen ist. Ja, wir haben die etlichen, sich stark ähnelnden Gräber voller Draugr nicht vergessen. Doch man beachte bitte den Kontext, den die Spielwelt, genauer gesagt das Szenario liefert. Himmelsrand ist eine Region eines großen Kontinents und die Heimat eines Volks: der Nord. Die haben ihre eigene Kultur und eben auch Architektur. Wenn es nun also in Skyrim sehr viele, sehr ähnlich aussehende Gräber zu erkunden gibt, in denen ihr auf die immer gleichen untoten Gegner trefft, dann lässt sich das ganz einfach damit erklären, dass die Nord eben ihre Verstorbenen in Gewölben innerhalb von Bergen bestatten und sich nicht für jede Gruft einen eigenen Baustil ausgedacht haben.
Starfield hat eine ganz andere Art von Setting und vor allem ein viel größeres: Hier erkundet ihr Hunderte Sternensysteme, in denen sich die gesamte Menschheit ausgebreitet hat. Wenn nun alle Siedlungen und Basen, die ihr finden könnt, sich sehr ähnlich aussehen sollten, wäre das doch irgendwie komisch, oder? Man sollte doch erwarten, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft auch völlig unterschiedliche Baustile nutzen. Vermutlich wird es sich Bethesda einfach machen und sich hier weniger auf Nationen und mehr Fraktionen beziehen und damit erklären, warum sich etwa alle Forschungsstationen eines Unternehmens optisch ähneln. Trotzdem wäre das immer noch eine schlechtere Erklärung als unsere für die vielen generischen Draugr-Gräber in Skyrim.
Ihr merkt schon: Es kann eine Menge schiefgehen. Das bedeutet nicht, dass wir dem Feature komplett negativ entgegenblicken. In der Theorie ist es eben absolut sinnvoll angesichts der gigantischen Größe der Spielwelt. Aber wie so oft kommt es eben auf die praktische Umsetzung an. Ob Bethesda die gelingt, werden wir erst dann erfahren, wenn Starfield erscheint. Nach offiziellen Informationen soll da bis Juni dieses Jahres geschehen, wobei auch Brancheninsider eine weitere Verschiebung nicht völlig ausschließen.