Wir alle kennen es: Geschmäcker verändern sich. Warum es bei Nico derzeit extrem ist, erfahrt ihr in seinem Artikel.
Warum Spiele auch immer Eskapismus sind!
Seit fast 20 Jahren hinterlasse ich nun meine Fußabdrücke in der deutschen Gaming-Branche, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Dass sich in dieser Zeit der Geschmack oder die Vorliebe für bestimmte Genres verändert, ist ein vollkommen normaler Prozess. Manche kennen das vielleicht vom Essen. Was einem vor Jahren noch richtig gut geschmeckt hat, steht heute auf der Beliebtheitsskala eher auf den unteren Rängen. So geht es mir mit verschiedenen Genres. Bevor ich in diese Branche eingetaucht bin, standen japanische Rollenspiele ganz oben auf meiner Lieblingsliste.
Persönlich und vermutlich dank meiner Nostalgiebrille halte ich Secret of Mana immer noch für die Krönung in diesem Genre. Doch veränderte Lebensumstände, ein gesetzteres Alter (Mit fast 40 gehört man offensichtlich schon zum alten Eisen) oder was auch immer können mitunter ein Grund dafür sein, dass sich die eigenen Präferenzen im Gaming verschieben.
Sicherlich, mit einem guten Resident Evil, einem The Legend of Zelda oder Gears of War bekommt man mich immer noch, aber japanische Rollenspiele sind mir schlicht und ergreifend zu aufwendig und zeitintensiv geworden. Ich habe einfach keinen Spaß mehr daran, eine 20-stündige Einführung zu erleben, nur um dann festzustellen, dass die Kernmechanik des Spiels mir gar nicht mehr zusagt. So geschehen mit Persona 5, das von sehr geschätzten Kollegen über die Maßen gelobt wird. Ich hingegen halte es für eines der langweiligsten Spiele, die mir je untergekommen sind.
Diese Meinung scheine ich aber weitgehend exklusiv zu haben, wie die Kommentare unter diesem Artikel zeigen. Darauf will ich aber gar nicht hinaus. Ich stelle viel mehr fest, dass ich neben dem beruflichen Alltag Spiele mehr und mehr als eine gewisse Form des Eskapismus nutze. Je mehr Schwachsinn in dieser Welt passiert (und das ist leider eine Menge), umso mehr flüchte ich mich in virtuelle Welten, um zumindest für einen kurzen Zeitraum in einen Bereich abzutauchen, in dem die Welt noch in Ordnung ist.
Privat zocke ich fast nichts mehr, was in irgendeiner Form den derzeitigen Status der Gesellschaft oder andere Probleme abbildet. So gut Games wie Hellblade: Senua’s Sacrifce, What Remains of Edith Finch oder This War of Mine auch sind, wenn ich nach einem anstrengenden Tag abends auf der Couch oder vor dem PC sitze, möchte ich von der Welt, der Ellenbogengesellschaft und den damit verbundenen Problemen abschalten. Genau deshalb flüchte ich in Welten, in denen zu Beginn vielleicht nicht alles rosig ist, aber zumindest kann ich einen Beitrag leisten, um sie ein Stück besser zu machen.
Deswegen bevorzuge ich unter anderem Spiele wie The Legend of Zelda oder Super Mario, auch mit fast 40. Ich kann die echte Welt da draußen vielleicht nicht retten, aber zumindest Hyrule und das Pilzkönigreich und sie in eine glorreiche Zukunft führen. Man könnte es mit einem Kinobesuch vergleichen. Für knapp zwei Stunden verschwindet man in einem dunklen Raum, um sich in eine andere Welt entführen zu lassen.
The Legend of Zelda - Breath of the Wild:
Aus dieser momentanen Haltung heraus hat sich noch etwas anderes in meinen persönlichen Vorlieben verändert. Seit einigen Jahren suche ich mir für meinen Sommerurlaub immer ein Spiel heraus, welches eben diese Kriterien erfüllt. Wenn die Sonne auf meine Plauze scheint und ich den ganzen Tag faulenzend am Strand gelegen habe, möchte ich danach nur noch seichte Unterhaltung genießen. 2018 hat mir Sushi Striker die Zeit versüßt und im letzten Jahr war ich positiv angetan von Ever Oasis. Besonders letzteres hat in mir Glücksgefühle ausgelöst, die ich in dieser Art und Weise nur selten erlebt habe.
Simpel ausgedrückt, geht es in Ever Oasis darum, Freundschaften und andere soziale Kontakte zu knüpfen, um eine kleine Enklave der Freude inmitten eines von Dunkelheit überzogenen Landes aufzubauen. Also im Prinzip genau das Gegenteil, was derzeit in allen Gesellschaftsschichten passiert. Inklusion statt Isolation. Einziges Problem: Nachdem die Geschichte vorüber war, fühlte ich mich so leer wie selten zuvor. Eines der erfrischendsten Erlebnisse (abgesehen vom leicht repetitiven Gameplay) der letzten Jahre war vorüber.
Ever Oasis Trailer:
Allerdings kann ich durchaus verstehen, warum genau diese Art von Spielen nicht unbedingt zu den beliebtesten gehört. Games sind zwar als Kunstform mittlerweile akzeptiert, doch bis sie den gleichen Stellenwert wie Bücher oder Filme besitzen, ist noch ein wenig Wegstrecke zurückzulegen. Vor allem müssen ernste Themen ebenfalls behandelt werden, wenn das gesamte Spektrum abgedeckt werden soll. Außerdem lassen sich düstere Spiele wie Hellblade und Co besser im Feuilleton verwursten und auch vermarkten.
Bei "niedlichen" Spielen läuft man, egal wie gut das Marketing ist, stets Gefahr, in die Kinderspielschublade gesteckt zu werden. Aber warum eigentlich? Nur weil die Optik bunt, verspielt und niedlich ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es sich um ein reines Produkt für Kinder handelt. Au Contraire, ich sage: Wer nicht einen Teil seines Spieltriebs bewahrt, verliert einen Teil seiner Menschlichkeit. Dieser These muss nicht jeder zustimmen, aber darüber sprechen sollte man.
Wer bis hierhin die Zeilen gelesen hat, wird sich vielleicht fragen: Was soll dieser Text? Ehrlich gesagt wollte ich mir nur etwas von der Seele schreiben und vielleicht findet sich jemand in diesen Zeilen wieder oder hat eine ähnliche Veränderung durchgemacht. Worum es mir eigentlich geht: Jeder sollte so Spaß haben, wie er es für richtig hält. Du spielst gern Indie-Games? Wunderbar! Sie mögen lieber die Persona-Reihe? Dann genießen sie sie! Ich kann derzeit nichts mit ernsten Games anfangen. Die Welt brennt derzeit an allen Ecken und Kanten. Da muss sie nicht noch virtuell für mich brennen!
Danke fürs Lesen!