Der jüngste Trailer zu Assassin's Creed Valhalla ist toll, verrät aber Dinge, die Jens erst im Spiel entdecken wollte.
- home
- magazin
- spielgenre-news
- rpgs-und-mmorpgs
assassins-creed-valhalla-ubisoft-warum-spoilerst-du
Assassin's Creed Valhalla: Ubisoft, warum spoilerst du?!
Ich bin ganz ehrlich: Ich mag solche Videos wie den "Deep Dive"-Trailer zu Assassin's Creed Valhalla sehr. Oft genug beschwere ich mich über Werbefilmchen, die absolut nichts oder zu wenig über ein Spiel verraten. Besagter sieben Minuten langer Clip ist das komplette Gegenteil. Ubisoft zeigt darin nicht einfach nur Gameplay, sondern kommentiert es auch noch und gewährt uns einen umfassenden Einblick in das am 10. November erscheinende Open-World-Spiel. Es bereitet eine gute Vorstellung davon, wie das Wikingerabenteuer aufgebaut ist, was wir in dessen riesiger Spielwelt machen können, wie die Progression verläuft und wie sich das alles spielt. Klar, gerne hätte ich so ein Video schon im Sommer zur Ankündigung gehabt, wo Ubisoft lieber einen Gameplay-Trailer veröffentlicht hat, der keiner ist. Aber das ändert nichts an der Qualität des Trailers.
Ich habe aber ein großes Problem damit: Der Publisher spoilert. Nein, er nimmt hier nichts von der Geschichte, also keine wichtigen Plot-Twists oder Ähnliches vorweg. Vor so etwas müsst ihr keine Angst haben. Ganz so schlimm wie in der Filmindustrie, in der Trailer gerne mal entscheidende Story-Wendungen verraten – man denke nur an "Terminator: Genisys" – oder schon einen Ausschnitt aus dem großen Showdown zeigen, weil der ja so spektakulär ist, dass man mit ihm unbedingt die Leute ins Kino locken muss, ist es in der Videospielbranche noch nicht.
Aber dafür gelingt es dem "Deep Dive"-Trailer zu Assassin's Creed Valhalla, nette Überraschungseffekte noch vor Release des Spiels zu eliminieren. Falls ihr euch das Video noch nicht angeschaut und dementsprechend keine Ahnung habt, worüber ich hier schreibe, solltet ihr nicht mehr weiterlesen (und euch den Trailer auch nicht ansehen), wenn ihr wirklich unbefleckt Valhalla erleben möchtet.
Überraschung, ade!
Der "Deep Dive"-Trailer stellt nicht nur den Hauptcharakter Eivor vor, er zeigt, wie das Siedlungs-Feature funktioniert, welche Waffen und Fähigkeiten euch im Kampf zur Verfügung stehen und wie schön die Spielwelt ist. Er verrät auch, dass ihr im virtuellen England des neunten Jahrhunderts das legendäre Schwert Excalibur, die Klinge von König Artus, finden könnt. Dass ihr sowohl nach Asgard als auch Jötunheim, zwei aus der nordischen Mythologie bekannte Orte, gelangen werdet – offensichtlich sind dabei bewusstseinserweiternde Substanzen im Spiel, zumindest wird im Trailer gesagt, dass die Seherin des Clans eure Sinne öffnet. Zu guter Letzt impliziert Ubisoft in dem Video auch, dass ihr irgendwann nach Nordamerika gelangen werdet. Am Ende ist nämlich von "neuen Welten" die Rede, während auf dem Bildschirm ein optisch klar als amerikanischer Ureinwohner zu erkennender Mann per Kanu auf einem Fluss fährt.
All diese Dinge sind per se keine harten Story-Spoiler. Der Fund von Excalibur ist vermutlich sogar einfach nur mit dem freien Erkunden einer Ruine in der Spielwelt verbunden. Aber das ändert nichts daran, dass es eine nette Überraschung gewesen wäre, ohne Wissen über die Existenz dieser Inhalte Assassin's Creed Valhalla zu spielen und dann darauf zu stoßen. Stellt es euch bildlich vor! Ihr reitet durch die englische Landschaft und erspäht in der Ferne eine interessant aussehende Burgruine. Ihr schaut euch das Gemäuer von Nahem an, sucht einen Weg hinein und stellt irgendwann, als ihr in einen Raum mit einem großen runden Tisch steht, fest: "Moment, das ist doch die Tafelrunde!" Nach ein bisschen weiterem Suchen findet ihr das sagenumwobene Schwert und freut euch einen Ast ab: "Boah, so cool, dass das im Spiel ist! Was für eine geile Entdeckung!"
Tja, diesen Effekt kann das Spiel bei mir nun gar nicht mehr erzeugen. Wenn ich im November meine Reise von Norwegen nach England antrete (also rein digital natürlich), weiß ich ganz genau: "Irgendwann werde ich Excalibur finden." Gleiches gilt für die Trips (Wortspiel beabsichtigt) nach Asgard, Jötunheim und Amerika. Es wäre so viel cooler gewesen, Ubisoft hätte davon noch nichts im Trailer verraten – wobei im Fall der beiden mythologischen Orte schon ein Tweet von Ubisoft Nordic mitsamt zweier Screenshots die Überraschung verdorben hat. Aber so was bekommen ja nochmal wesentlich weniger Leute mit als einen Trailer.
In #AssassinsCreedValhalla, with the help of Valka, the Seer, leap beyond reality in to the mythological worlds of Asgard and Jotunheim ⚔️ pic.twitter.com/lcAGfJhsBw
— Ubisoft Nordic (@ubisoftnordic) October 13, 2020
Spoiler als Werbemaßnahmen?
Ich frage mich jedoch: Warum hat Ubisoft das gemacht? Warum hält der Publisher diese Dinge nicht einfach geheim? Solche Infos werden ja nicht ohne Grund in ein Werbefilmchen für ein kommendes Spiel gepackt. Soll das dazu dienen, noch mehr Leute davon zu überzeugen, sich Assassin's Creed Valhalla vorzubestellen? Nun, das wäre das Erste, woran man sicherlich denkt. Es ist ja schon ziemlich cool, dass ich in dem Spiel Excalibur schwingen und das Zuhause von Thor, Odin und Co besuchen darf. Aber diese Art von Überzeugungsarbeit hat ein Assassin's Creed doch gar nicht nötig. Da reichen doch bereits die typischen Schlagwörter: "Riesige Open World", "viel zu entdecken", "stylische Kämpfe", "motivierende Rollenspielmechaniken", "tolle Grafik". Für den 08/15-Mainstream-Zocker (nicht böse gemeint) sollte das doch ausreichen, um ihn zum Kauf zu motivieren.
Aber vielleicht irre ich mich da auch. Denn unter dem besagten Tweet von Ubisoft Nordic mit den Bildern zu Asgard und Jötunheim lese ich folgenden Kommentar: "Weißt du, Ubi, ich hatte aufgrund eines älteren Artikels, der gesagt hat, dass es keine Götter und Mythen in diesem Assassin's Creed geben wird, Zweifel. Aber wo ich das [Anm. d. Red.: die Screenshots] nun sehe, ist es mir nun wert, zuzugreifen. Wenn ihr weiterhin das macht, was ihr mit Origins und vor allem Odyssey gemacht habt, dann ja, bitte." Es scheint also doch die Spieler zu geben, die mittlerweile von Assassin's Creed erwarten, dass ein wenig Mythologie in den Spielen steckt, und von einem Kauf absehen, wenn ihnen keiner sagt, dass so etwas vorhanden ist.
Riecht nach PR-Strategie
Ich glaube aber, dass sich Ubisoft noch aus einem anderen Grund in dem Trailer nicht gerade geheimnistuerisch verhält: "In Assassin's Creed Valhalla könnt ihr Excalibur schwingen" oder "Assassin's Creed Valhalla lässt euch Asgard erkunden" sind einfach viel zu gute Überschriften für News auf Videospielwebseiten oder von Publikumsmedien. Sie erregen Aufmerksamkeit und tragen besonders effektiv dazu bei, dass das Spiel im Gespräch bleibt. Ubisoft ist sehr darauf bedacht, dass die Presse viel über Assassin's Creed Valhalla berichtet und den Lesern immer wieder klarmacht: "Hey, das neue Assassin's Creed kommt, vergisst das nicht! Und es wird geil!"
Wenn es der Plan von Ubisoft war, dass die Medien gerade die von mir kritisierten Spoiler aufgreifen, dann war er nicht unerfolgreich. "Assassin's Creed Valhalla enthüllt Asgard, Excalibur und mehr in 'Deep Dive'-Trailer", titelt etwa Screen Rant. "Asgard wartet schon", heißt es bei Die Zukunft. Und natürlich spielen auch Influencer eine Rolle. Am Tag der Veröffentlichung des Trailers erschien auf dem deutschen Kanal Frag Nart direkt ein Video mit dem Titel "Excalibur Isu Waffe & mehr im neuen Trailer von Assassin's Creed Valhalla" – und einen Tag später folgte "Asgard, Amerika & mehr – Unglaublich viel Neues zu Assassin's Creed Valhalla".
Zum Glück springen nicht alle Branchenkollegen und Influencer auf den Zug auf. Die GameStar zum Beispiel hat zwar den "Deep Dive"-Trailer auf ihrer Webseite veröffentlicht (aber wir haben ihm ja auch eine News gewidmet), doch erwähnt sie weder in der Überschrift noch dem kurzen Beschreibungstext etwas von Excalibur, Asgard und Co. Somit werden zumindest nur die gespoilert, die sich das Video auch wirklich anschauen und nicht bloß die, die im "Vorbeisurfen" bloß mal die Überschrift erblickt haben.
Ubisoft verpasst eine Chance
Ich verstehe ja, warum Ubisoft solche Dinge nicht geheim hält. Und der von mir oben zitierte Twitter-Kommentar beweist ja auch, dass diese Strategie durchaus Leute zum Kauf eines Spiels bewegen kann. Dennoch finde ich es schade, dass man sich hier nicht in Zurückhaltung übt. Ich hätte mich sehr gerne davon überraschen lassen, nach etlichen Spielstunden Excalibur in den Händen zu halten, weil ich "zufällig" eine der zahlreichen Ruinen in der Spielwelt erkundet habe. Und es gibt genug Beispiele dafür, wie wertvoll für die eigene Spielerfahrung solche Überraschungsmomente sein können.
Man denke nur mal an die Entdeckung der Schwarzweite in The Elder Scrolls 5: Skyrim. Wäre es nicht lahm gewesen, wenn Bethesda schon im Vorfeld verraten hätte, dass man so etwas in dem Rollenspiel finden kann? Oder nehmen wir das Master-Schwert in The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Natürlich konnte sich jeder Zelda-Fan denken, dass man irgendwann im Spielverlauf diese Klinge erhalten wird. Aber wenn Nintendo schon im Vorfeld gesagt hätte: "Ja, übrigens, es gehen zwar alle Waffen kaputt, aber ihr findet irgendwann Links markantes Schwert und das hat bloß eine Abklingzeit", hätte das die Freude darüber, es im Spiel nach vielen Stunden endlich gefunden zu haben, doch auch geschmälert. Daher meine Bitte an Entwickler und Publisher: Macht es bitte nicht der Filmindustrie nach! Ich will nicht, dass ihr zu wenig von einem Spiel im Vorfeld zeigt. Wie gesagt, solche "Deep Dive"-Trailer sind klasse. Aber bitte lasst mich gewisse Dinge auch wirklich erst im Spiel entdecken!