Rico Rodriguez sorgt wieder für Chaos. Doch der Spaß mit Just Cause 4 wird leider von einigen Dingen getrübt.
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Just Cause 4: Explosives Fast Food
34 Prozent. Was für die CDU/CSU bei der Bundestagswahl 2017 schon kein gutes Ergebnis gewesen wäre (na gut, sie lagen sogar nochmal 1,1 Prozent darunter), ist auch für Just Cause 4 alles andere als rühmlich. 34 Prozent beträgt zum Zeitpunkt, an dem diese Zeilen entstehen, der Anteil der positiven Kritiken für das abgedrehte Actionspiel auf Steam. Die genaue Zahl mag sich bis zum Erscheinen dieses Tests verändert haben, der Durchschnitt der Bewertungen dürfte dann aber immer noch im gleichen Bereich namens „Größtenteils negativ“ liegen.
Zum Vergleich: Der direkte Vorgänger Just Cause 3, der zu Release unter enormen technischen Problemen litt, wurde von den Steam-Nutzern deutlich besser bewertet. Die Frage ist also, ob Just Cause 4 diese herbe Kritik verdient hat. Unsere Antwort: nicht so ganz. Aber zu 100 Prozent zufrieden sind wir auch nicht.
Aus großem Chaos wächst Ordnung
Um es gleich vorwegzunehmen: Wer von Spielen erwartet, eine spannende Geschichte in schmackhafter Form präsentiert zu bekommen, ist bei Just Cause 4 an der falschen Adresse. Das galt für die Serie aber schon immer und sie hat auch nie versprochen, sowas zu bieten. Der Name Just Cause steht ja schon dafür, dass all die Dinge, die in den Spielen passieren, nicht deshalb geschehen, weil sie die Handlung unterfüttern sollen, sondern weil sie einfach Spaß machen.
Als Rico Rodriguez, in den ersten Teilen noch Agent der Agency (ja, die heißt wirklich so), bereist ihr in jedem Ableger einen fiktiven tropischen Inselstaat und sorgt dort für Ordnung, indem ihr, nun ja, für Chaos sorgt. Der Mann mit dem generischsten Namen, den man jemandem mit spanischen Wurzeln nur geben könnte (echte Menschen mit dem Namen Rico Rodriguez mögen uns das verzeihen), ist eben spezialisiert darauf, kleine Staaten von tyrannischen Herrschern zu befreien. Und das geht am besten, indem man alles, was die Herrn Diktatoren aufgebaut haben, zerstört.
Es wird persönlich
Dieses Grundprinzip bleibt auch in Just Cause 4 erhalten. Das Spiel wirft euch eine gigantische Spielwelt vor die Füße (circa 1000 Quadratkilometer) und sagt im Grunde genommen: „Hier hast du deinen Spielplatz, jetzt spiel, zerstöre, hab Spaß dabei und denk ja nicht zu viel nach!“ Diesmal geht es für Rico nach Solis, einen südamerikanischen Fantasiestaat. Der Grund ist nicht etwa ein neuer Auftrag für die Agency, denn unser (Anti-)Held ist längst abtrünnig geworden und zieht sein eigenes Ding durch. War er in Just Cause 3 noch zu Besuch in seiner Heimat (um deren Diktator zu stürzen), ist seine Motivation diesmal, die böse Organisation „Die Schwarze Hand“ zu zerstören, die für den Tod seines Vaters verantwortlich ist.
Klingt nach einem spannenden Aufhänger, doch wer ernsthaft geglaubt hat, die Reihe würde sich wandeln, wird schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Story ist in etwa ein so großer Motivationsfaktor wie es die Lootboxen in Star Wars: Battlefront 2 waren. Flache Charaktere und platte Dialoge stehen hier an der Tagesordnung. Und es ist nicht so, als würden wir das bei Just Cause einfach mit einem „Na ja, da geht’s ja auch nicht um Story“ abtun. Es wäre schön, wenn die Reihe es mal schaffen würde, zwischen all dem Quatsch, der in der Open World passieren kann, auch mal eine mitreißende Geschichte zu erzählen – oder zumindest eine lustige. Denn leider nimmt sich die Handlung selbst zu ernst. Warum Entwickler Avalanche nicht einfach den Weg von Saint’s Row geht und auch in der Story den Absurditätsknopf mehrfach drückt, ist uns ein Rätsel.
Ein Greifhaken, sie zu knechten
Am Ende des Tages ist die schwache Story zwar etwas, was Just Cause 4 ein paar Punkte kostet, dem Spielspaß aber keinen Abbruch tut. Die Serie ist eben sowas wie eine spielbare B-Movie-Reihe, in der es vor allem um die Action geht. Und hier zieht Just Cause 4, was eure Möglichkeiten betrifft, alle Register. In der Spielwelt lässt sich sehr viel verrücktes Zeug anstellen.
Wie in den Vorgängern ist euer Greifhaken euer wichtigstes und mächtigstes Werkzeug. Der hat in Teil 4 einige Erweiterungen erhalten. So lassen sich mit ihm Luftballons an allen möglichen beweglichen Objekten (und natürlich Lebewesen) befestigen, um sie in die Luft aufsteigen zu lassen. Eine andere Option sind Schubraketen. Mit denen lasst ihr Gegner wild durch die Luft fliegen. Das dritte Add-on ist ein Zugmotor, mit dem ihr zwei miteinander verbundene Gegenstände aufeinander zurasen lasst.
Jedes dieser drei Werkzeuge lässt sich in drei Intensitätsstufen auslösen und sie alle können miteinander kombiniert werden. Dabei konfiguriert ihr bis zu drei Presets, zwischen denen ihr jederzeit auf Knopfdruck wechselt. Das erlaubt euch mehr Möglichkeiten denn je, mit eurer Umgebung zu interagieren und entweder auf kreative Art und Weise Feinde auszuschalten oder Basen in Schutt und Asche zu legen. Wer richtig viel Zeit investiert und seiner Kreativität freien Lauf lässt, kann wahrlich beeindruckenden Blödsinn anstellen, der auf YouTube das Zeug zum Klick-Hit hätte.
Donnerwetter!
Das jüngste Just Cause funktioniert als Sandbox also wieder super, zumal es eine Vielzahl an unterschiedlichen Land-, Wasser- und Luftvehikeln gibt. Neben gewöhnlichen PKWs hat der vierte Teil auch Monstertrucks, Bulldozer, Panzer, Düsenjets und vieles mehr zu bieten. Auch das Waffenarsenal kann sich sehen lassen, obwohl uns die C4-Ladungen aus den Vorgängern fehlen. Mit denen waren kontrollierte Sprengungen möglich, einen würdigen Ersatz dafür suchen wir in Just Cause 4 vergeblich. Dafür gibt es so abgefahrenes Zeug wie die Blitzkanone, mit der ihr entweder einzelne Gegner schockt oder auf Knopfdruck ein lokales Gewitter auslöst, sodass überall um euch herum Blitze einschlagen.
Apropos Blitze: Eine der großen Neuerungen von Just Cause 4 sind die Unwetter, die in bestimmten Bereichen der riesigen Spielwelt wüten. Da gibt es zum Beispiel einen Blizzard oder einen gewaltigen Tornado. Diese Umweltphänomene sind immer vorhanden, entstehen also nicht etwa dynamisch. Allerdings wandern sie auch nicht quer über die Karte und kommen nur in einigen Hauptmissionen wirklich zum Tragen. Dafür, dass Avalanche im Vorfeld so großen Rummel wegen dieses Features gemacht hat, spielt es letztendlich die meiste Zeit über keine große Rolle. Das ist sehr schade, denn gerade der Wirbelsturm ist ziemlich beeindruckend. Hier haben die Entwickler einiges an Potenzial verschenkt.
Rebellieren kann ganz schön öde sein
Wo wir beim Thema verpasste Chancen sind: Das könnte man auch über das Missionsdesign und das Eroberungssystem sagen. Solis ist nicht nur in mehrere Klimazonen eingeteilt (gemäßigter Bereich, Dschungel, Wüste, schneebedeckte Berge), die für optische Abwechslung sorgen, sondern auch in viele kleine Regionen. Um in der Geschichte voranzuschreiten und neue Story-Missionen freizuschalten, kommt ihr nicht drumherum, einen Großteil der Provinzen aus den Fängen der „Schwarzen Hand“ zu befreien. Dazu schließt ihr bestimmte Befreiungsmissionen ab, wodurch die Rebellen an Mannstärke gewinnen. Das gewährt euch die nötigen Punkte, um die Frontlinie des Kampfes zwischen Rebellen und „Schwarzer Hand“ zu verschieben und Gebiete unter eure Kontrolle zu bringen.
Was in der Theorie nach einem coolen Feature klingt, erweist sich in der Praxis als nichts anderes als ein System, um eben neue Missionen und Objekte, die ihr euch per Expresslieferung schicken lassen könnt, freizuschalten. Letzteres mag als Motivationsfaktor funktionieren, doch leider krankt das Ganze an den größtenteils einfallslosen, sich ständig wiederholenden und teilweise auch richtig öden Befreiungsmissionen. Oftmals geht es darum, eine gewisse Anzahl an Computern innerhalb einer Basis zu hacken oder Rebellen zu befreien (Letzteres ist sogar mit der immergleichen Animation verbunden). Nervig sind vor allem die Aufträge, in denen ihr unter Zeitdruck steht. In einem Hafen etwa sollt ihr zehn Autos, die mit speziellen Bomben versehen sind, ins Wasser befördern, damit das Areal unbeschadet bleibt, was in Verbindung mit einem Zeitlimit ganz schön ätzend sein kann.
Immerhin: Bei den Story-Missionen hat sich Avalanche schon deutlich mehr Mühe gegeben. Die gewinnen nun auch keine Innovations- oder Spieldesignpreise, bieten aber genug Abwechslung. Hinzu kommen noch viele optionale Dinge wie Stuntherausforderungen und Aufträge, die ihr für bestimmte Charaktere absolviert. An Beschäftigungsmöglichkeiten mangelt es euch in Just Cause 4 definitiv nicht.
Kernmechaniken ohne Fortschritte
Dennoch ist der Titel kein Spiel für lange Zockabende, sondern eher der Action-Snack für zwischendurch. Das liegt nicht nur an den größtenteils eintönigen Missionen, sondern auch an den Schwächen der Spielmechanik. Das Gunplay von Just Cause war noch nie hitverdächtig und das ist es auch in diesem Teil nicht. Die Gegner sind dumm wie Stroh und denken gar nicht daran, irgendwo in Deckung zu gehen. Gut, ein Deckungssystem gibt es in Just Cause 4 generell nicht. Allgemein spielen sich die Ballereien wie in den Vorgängern äußerst simpel und machen für sich genommen wenig Spaß. Wer die Möglichkeiten des Greifhakens nicht nutzt, der spielt das falsche Spiel. Denn rein aufs Shooter-Gameplay bezogen, gibt es so viel bessere Titel als Just Cause 4.
Leider macht auch die Fahrphysik der meisten Vehikel keine bessere Figur. Gerade Motorräder oder schnelle Sportflitzer steuern sich sogar richtig unpräzise. Dabei hat Avalanche schon vor drei Jahren mit Mad Max bewiesen, dass man es viel besser kann, ohne in Simulationsgefilde vorzudringen. Immerhin: Helikopter und Flugzeuge fliegen sich ganz gut – alles andere als realistisch, aber eben genauso simpel und direkt, wie es in einem Spiel wie Just Cause 4 sein muss.
Des Weiteren müsst ihr ja nicht zwangsweise Fahrzeuge benutzen, um schnell von A nach B zu gelangen. Einerseits könnt ihr die Schnellreise nutzen, andererseits ist Rico eben mit Greifhaken, Fallschirm und Wingsuit ausgestattet und kann sich mit diesen drei Dringen auch ohne motorisierten Untersatz recht schnell durch die Spielwelt bewegen. Und das macht immer noch so viel Spaß wie im Vorgänger.
Die Grafik: Diesmal flüssig, aber nicht zufriedenstellend
Apropos Just Cause 3: Das hatte ja anfangs sowohl auf PC als auch Konsole mit herben Performance-Problemen zu kämpfen. Das ist beim Nachfolger glücklicherweise nicht mehr der Fall. Wir haben Just Cause 4 auf dem PC gespielt und blieben von Rucklern komplett verschont. Ist also auf technischer Seite alles gut? Leider nein. Denn die Grafik des Third-Person-Shooters ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt es dichte Vegetation (von der Wüstenregion mal abgesehen), eine beeindruckende Weitsicht und tolle Explosionseffekte. Dem gegenüber stehen jedoch unter anderem eine enttäuschende Kantenglättung (gerade im Dschungel gibt es viel Geflimmer), hier und da sehr matschige Texturen und eine Wasserdarstellung, die schon in Just Cause 2 besser war.
Ein weiteres Problem ist die deutsche Sprachausgabe. Schon die ersten Sätze von Morales, einer Kommandantin der „Schwarzen Hand“, die ihr im Intro zu hören bekommt, motivierten uns sehr dazu, die Audiosprache schnell auf Englisch umzustellen. Zugegeben, nicht alle deutschen Sprecher sind so schlecht, aber das Niveau ist allgemein recht niedrig. Die englische Synchronisation ist auch nicht preisverdächtig, aber durchweg solide. Das gilt auch für die sonstige Tonkulisse: Waffengeräusche, Explosionen, Fahrzeuge – das alles ist weit entfernt vom beeindruckenden Klangteppich eines Battlefield 5, aber wir haben schon bedeutend schlechtere Soundeffekte gehört. Zudem weiß das Radio mit seinen diversen Sendern zu gefallen, auf denen spanischsprachige Musik der unterschiedlichsten Genres läuft. Bekannte Künstler sucht man zwar vergebens, dennoch ist diese musikalische Untermalung, die immer wieder von Werbung oder Moderatoren unterbrochen wird, eine Bereicherung für die Atmosphäre.
Fazit
Just Cause stand noch nie für anspruchsvolle Geschichten oder komplexes Gameplay. Daher haben wir vom vierten Teil auch nichts anderes erwartet und schon gar nicht in Verbindung damit an die ganz hohen Wertungsregionen gedacht. Aber am Ende sind wir dann doch sogar ein bisschen enttäuscht. Nicht falsch verstehen: Wir haben Spaß mit Just Cause 4. Die Erweiterungen des Greifhakens sind eine tolle Ergänzung und geben euch mehr Möglichkeiten denn je, Schabernack in der offenen Welt anzustellen. In Sachen Sandbox-Charakter triumphiert das Spiel also über seine Vorgänger – und das ist bei der Reihe eigentlich das wichtigste.
Allerdings trübt die enttäuschende Optik das Gesamtbild stark. Schließlich ist die Grafik bei so einem Spiel wie Just Cause 4 viel wichtiger als bei Titeln, die viel mehr Wert auf ihre Geschichte und spannende Missionen liegen. Und wo wir gerade bei dem Thema sind: Die öden Befreiungsaufträge sind uns ebenfalls ein Dorn im Auge. Wären sie allesamt optional, könnten wir sie ignorieren, doch das ist leider nicht der Fall. Manchmal erinnert uns das Spiel da sogar an Mafia 3. Das zwang uns ebenfalls dazu, langweilige Quests zu erfüllen, die anderswo Nebenaufgaben wären, um in der Story voranzukommen.
Insgesamt ist Just Cause 4 also nur ein überdurchschnittliches Spiel. Wer die Vorgänger mochte und über die Kritikpunkte hinwegsehen kann, wird auch hier wieder seinen Spaß haben. Am Ende des Tages ist der Titel aber eben nicht mehr als ein spielbarer B-Movie. Würde er mehr sein wollen, hätte er zumindest in Sachen Gameplay einen größeren Sprung nach vorne machen müssen.
- Riesiger Sandkasten
- Greifhaken sinnvoll erweitert
- Viel Raum zum Experimentieren
- Breites Waffen- und Fahrzeugarsenal
- Viele öde Missionen
- Stark schwankende Grafikqualität
- Unspannende Handlung
- Teilweise sehr schlechte Fahrphysik
- Dumme Gegner-KI