Skull and Bones lebt und kommt noch 2022, doch keine Ahnung, für wen das eine gute Nachricht sein soll. Das Gameplay-Material sorgt wie das erste Bildmaterial von 2017 schlicht für Schulterzucken.
Skull and Bones: Eine Seefahrt, die ist … monoton?
Ich muss euch etwas beichten: Ich mag Assassin's Creed 4: Black Flag nicht. Ja, ich weiß, dass es einer der beliebtesten Teile der Reihe ist. Schon oft habe ich von Freunden und Branchenkollegen gehört, wie toll es doch gewesen sei, durch die virtuelle Karibik zu segeln, feindliche Schiffe zu entern oder zu versenken, die defensiv sehr starken Forts zu attackieren und das eigene Schiff immer weiter zu verbessern. Und glaubt mir: Ich hätte wahnsinnig gerne viel Spaß mit Black Flag gehabt. Seit Sid Meier's Pirates! (dem Remake von 2004, für das Original bin ich zu jung) wünsche ich mir ein großes 3D-Piratenspiel, in dem ich eine Open World erkunden, Seeschlachten austragen, Säbel rasseln lassen und Schätze ausgraben kann – alles eingebettet in eine spannende Geschichte. Nun hat Black Flag all das, aber es ist eben immer noch ein Assassin's Creed mit Parkour-Gameplay, Attentaten und langweiligen "Hey, lauf unbemerkt den NPCs X und Y hinterher und belausche sie"-Missionen. Für mich ist es nichts Halbes und nichts Ganzes und das hat mir den Spaß verdorben.
Als Ubisoft auf der E3 2017 Skull and Bones zunächst mit einem Render-Trailer ankündigte, war ich noch euphorisch: "Ja, endlich machen die ein reines Piratenspiel!" Im Anschluss zeigte der Publisher damals das erste Gameplay-Material … und meine Freude ging direkt über Bord: "Ach so, das wird ein Shared-World-Multiplayer-Spiel, in dem sich alles nur auf den Kampf mit Schiffen fokussiert. Ne, was will ich denn damit? Diese 'Destiny: Pirates Edition' können die behalten."
Tja, das Feedback war allgemein nicht so rosig. Ein Jahr später gab es zwar nochmal ein Lebenszeichen, doch danach hörten wir nur noch von Skull and Bones, wenn Ubisoft es mal wieder verschoben hatte. Das Spiel war mit voller Breitseite in die Entwicklungshölle hineingeschippert. Aber aus der ist es ja jetzt raus. Nachdem es 2020 hieß, dass die Produktion in vollem Gange sei und man eine "neue Vision" habe, hat Ubisoft gestern – fast zwei Jahre später – zum ersten Mal seit 2018 neues Gameplay gezeigt. Es gibt nun sogar einen festen Release-Termin mit dem 8. November. Ach, wie blöd, dass ich in der Woche schon God of War Ragnarök spielen werde. Aber ich komme vom Thema ab.
Was haben die Entwickler all die Jahre gemacht?
Nun habe ich mir das frische Material zu Skull and Bones angeschaut und mir stellen sich mehrere Fragen, vor allem aber diese eine: Wo ist die "neue Vision", von der die Macher 2020 sprachen? Ich sehe da ehrlich gesagt immer noch das Spiel, was 2017 angekündigt wurde. Es konzentriert sich komplett auf das Gameplay mit dem eigenen Schiff. Deswegen spricht Ubisoft auch nicht einfach von einem Open-World-, sondern Open-Sea-Spiel. Ihr erstellt euch zwar einen eigenen Kapitän, mit dem ihr durch Siedlungen lauft. Aber dort findet kein Gameplay statt.
Ihr nehmt in den Städten und Piratenverstecken Aufträge an, verkauft eure Beute, erwerbt Dinge wie Munition und Nahrung (ohne was zu Beißen wird eure Crew ungemütlich) und … präsentiert eure frisch im In-Game-Shop erworbenen Klamotten euren Freunden. Ja, mal ehrlich: Ihr glaubt doch wohl nicht, dass es in Skull and Bones keine Mikrotransaktionen geben wird? Wenn dem nicht so wäre, hätten die Entwickler die Städte nicht wirklich bauen müssen. Ein einfaches Menü hätte gereicht. "Ja, aber für die Immersion ist es doch cool, in den Siedlungen rumlaufen zu können." Grundsätzlich ja, aber Immersion steht offensichtlich nicht weit oben auf der Prioritätenliste von Ubisoft.
Vom Gestrandeten zum König der Meere
Skull and Bones ist ein sehr systemisches Spiel. Damit meine ich, dass der Fokus klar auf einzelnen Spielmechaniken liegt, nicht darauf, eine Geschichte zu erzählen oder euch das Gefühl zu geben, euch wirklich wie ein Pirat im 17. Jahrhundert zu fühlen. Die Hauptmotivation soll euer Fortschritt sein. Ihr startet als Niemand, der nach einem Schiffbruch bei 0 anfängt. Am Anfang habt ihr nicht mehr als eine kleine Nussschale von Boot und macht mit dem Speer Jagd auf Haie und andere Tiere, um Geld zu verdienen. Je weiter ihr voranschreitet, desto größere und mächtigere Schiffe könnt ihr euch leisten, die ihr mit immer besseren Waffen und Panzerungen ausstattet. Zeitgleich mehrt ihr euren Ruhm, was in diesem Fall nichts anderes bedeutet, als im Rang aufzusteigen und so immer mehr und bessere Dinge freizuschalten, die euch stärker machen.
Eine richtige Story gibt es allem Anschein nach in Skull and Bones nicht und es wirkt so, als seien die Missionen allesamt ziemlich generisch. Ubisoft hat nämlich nur Aufträge der Sorte "Stiehl Ware XY" gezeigt. Gäbe es aufwendigere Quests mit Charakteren, die eine richtige Persönlichkeit haben, Dialogen und kleinen Geschichten, hätte man die doch wohl gestern präsentiert.
Nein, Skull and Bones will euch einzig und allein mit vielen Karotten vor der Nase bei der Stange halten: den nächstbesseren Kanonen, dem nächstbesseren Schiff und so weiter. Ob ihr dabei allein spielt, im Koop mit Freunden oder gar auf PvP-Servern, wo euch andere Spieler attackieren können, ist euch überlassen. Natürlich weisen die Entwickler darauf hin, dass Skull and Bones gemeinsam mit anderen Kapitänen mehr Spaß macht. Jetzt, wo ich das finale Konzept in groben Zügen kenne, frage ich mich auch gar nicht mehr, warum dem nicht so sein sollte.
Der Kapitän bleibt an Bord
Ehrlich gesagt glaube ich, dass das Spiel auch mit Freunden schnell eintönig wird. Grund dafür ist eben der Fokus auf Schiffskämpfe. Stellt es euch folgendermaßen vor: Ihr spielt ein Spiel wie GTA, in dem ihr aber nur in schmierigen Bars zu Fuß herumlauft, um Aufträge anzunehmen. Ansonsten fahrt ihr nur mit dem Auto durch die Gegend und wenn ihr an einem Missionsort ankommt, gibt es bloß eine Cutscene und dann folgt die obligatorische Flucht auf vier Reifen vor feindlichen Gangstern oder den Gesetzeshütern. Das mag jetzt überspitzt sein, verbildlicht mein Problem mit Skull and Bones aber trotzdem ganz gut.
Wenn ihr ein Fort angreift, habt ihr schon die ganze Zeit Action. Ihr feuert mit euren Kanonen zum Beispiel auf Verteidigungstürme und bekommt es auch mit feindlichen Schiffen zu tun. Aber damit sich das Wagnis für euch lohnt, muss irgendwer in die Festung eindringen. Deren Reichtümer schweben ja nicht von allein in euren Frachtraum. Also schickt ihr eure Crew an Land. Daraufhin erscheint ein Fortschrittsbalken, der in mehrere Etappen unterteilt ist. Je länger ihr nun auf dem Wasser im Kampf gegen die Verteidiger durchhaltet, desto größer fällt eure Belohnung aus.
Nun stört mich allein schon diese "Halte durch"-Mechanik. Beim ersten Mal mag das noch nett sein, aber ich glaube, sie wird recht schnell öde werden. Viel schwerwiegender ist für mich aber, dass ich eben in Skull and Bones quasi an mein Schiff gefesselt bin, von den Siedlungsbesuchen mal abgesehen. Ich kann nicht selbst in ein Fort eindringen und mich mit Pistole und Säbel durchkämpfen. Ich darf nicht mal selbst an Entermanövern teilhaben. Auch die geschehen automatisch und werden scheinbar jedes Mal von der gleichen Zwischensequenz begleitet (die nicht mal sonderlich schick aussieht).
Nicht die Piratenfantasie, die ich suche
Ich rede gar nicht davon, dass das, was wir bislang von den Schiffskämpfen gesehen haben, schlecht aussehe. Oder dass es kein Motivationsfaktor sei, immer mächtigere Kähne freizuschalten und deren Ausstattung anzupassen. Aber ich erwarte von einem Open-World-Piratenspiel sehr viel mehr. Ich will selbst Inseln erkunden, Schätze heben und meine Klinge mit feindlichen Seeräubern oder Soldaten kreuzen. Ich möchte mich voll und ganz dieser Piratenfantasie hingeben.
Lustigerweise sagte World Producer Vanessa Seow am Anfang der Präsentation in der letzten Woche: "Vergesst alles, was ihr über althergebrachte Piratenfantasien wisst." Sie hat das natürlich anders gemeint (spricht direkt im Anschluss davon, dass Skull and Bones "düsterer und härter" sei), aber ich lese da trotzdem eine Art "Entschuldigung" heraus: "Hey, wir wissen, ihr hättet gerne ein Black Flag ohne den ganzen Assassinenkram, aber dieses Spiel hier ist einfach was anderes." Das an sich ist auch erst mal ok, künstlerische Freiheit und so. Und nur weil mir Skull and Bones nicht zusagt, heißt das nicht automatisch, dass es ein schlechter Titel ist. Aber was Ubisoft bislang gezeigt hat, spricht eben auch nicht dafür, dass die Progressionsmechaniken allein ausreichen, damit man im besten Fall hunderte Stunden gerne zur See fährt und Schiffe versenken spielt.
Durch die Limitierung des Gameplays auf alles, was mit dem eigenen Kahn zu tun hat, fehlen Skull and Bones eben Spielelemente, die für Abwechslung sorgen könnten. Obendrein sorgt es auch noch für unfreiwillige Komik. Da wird doch tatsächlich im Trailer gezeigt, wie ihr an Holz gelangt: Die Kamera verweilt auf eurem Schiff, blickt aber auf den nächstgelegenen Baum, der wie von Geisterhand wackelt und schlussendlich gefällt wird, weil ihr ein kleines Minispiel absolviert habt, bei dem ihr im richtigen Moment eine Taste drücken müsst. Hier pfeifen die Entwickler vollkommen auf jegliche Immersion. Da denke ich mir doch: "Wenn ihr euch schon aufs Schiffs-Gameplay begrenzt, warum lasst ihr so was dann nicht konsequenterweise komplett weg?" Ich vermute, dass diese Art der gewaltlosen Beschaffung von Ressourcen für Abwechslung im Piratenalltag sorgen soll. Aber weil man sich eben schon früh dazu entschlossen hat, sich aufs Schiff-Gameplay zu begrenzen, hat man sich an dieser Stelle eben für ein liebloses Minigame entschieden. Ja, das macht Skull and Bones bestimmt zu einem besseren Spiel.
Einschätzung
Skull and Bones wirkt fünf Jahre nach der Ankündigung fast zum Greifen nah und mir könnt es kaum egaler sein. Die Schiffsschlachten sehen ganz ordentlich aus, aber auf mich wirkt es wie ein seelenloses Service Game nach Schema F, nur diesmal eben mir Piraten-Setting. Tja, und dann bleiben da eben diese verpassten Chancen. Die Idee zu Skull and Bones hatte man einst deswegen, weil die Leute den Piratenansatz von Assassin's Creed 4: Black Flag mochten. Aber warum musste man sich denn nun komplett auf das Schiffs-Gameplay fokussieren?
Für mich wird Skull and Bones nichts sein, weil ich darin nicht meine Piratenfantasie ausleben kann, wie ich es gerne tun würde. Aber selbst denjenigen, die sich damit abfinden können, primär nur ein Schiff zu steuern, rate ich zur Vorsicht. Die Gefahr ist groß, dass dieses Seeräuberabenteuer sehr monoton wird.