Dinge kaputt zu machen, macht großen Spaß. Was in der Realität mitunter schlechte Folgen haben kann, ist in Spielen wie Red Faction eine reine Freude.
Die besten Features: Die zerstörbare Umgebung aus Red Faction
Wer von euch erinnert sich noch an die Disney-Version von "Pinocchio"? Gut, wer Disney+ abonniert hat, vermutlich ganz gut, wo dort doch erst im September die Realverfilmung mit Tom Hanks erschienen ist. In der gibt es ebenfalls die Szene, in der die Titelfigur auf der Vergnügungsinsel ankommt: einem Freizeitpark für Kinder, der aber eigentlich eine fiese Falle ist (Stichwort Esel). Jedenfalls gibt es dort eine Attraktion, bei der es nur darum geht, dass die Kids alle möglichen Objekte kaputtmachen dürfen. Warum? Na, weil es eben Spaß macht. Das wissen auch Videospielentwickler. Das US-Studio Volition, heute vor allem für Saints Row bekannt, hat Anfang der 2000er mit zerstörbarer Umgebung für Aufsehen gesorgt: im Ego-Shooter Red Faction.
Modifikation als Euphemismus für Zerstörung
2001 ist der erste Teil der Reihe zunächst für die PlayStation 2 und später auch für den PC erschienen. Lange Zeit stand Red Faction in Deutschland auf dem Index, 2016 erfolgte jedoch erfreulicherweise die Listenstreichung und so könnt ihr den Klassiker heute ganz bequem auf Steam erwerben. Wer eine Affinität für Shooter aus der damaligen Zeit hat, sollte sich auch mal überlegen, den Titel nachzuholen. Red Faction ist ein abwechslungsreiches Actionspiel, das euch nicht bloß wie ein Call of Duty anhand von Skriptsequenzen von A nach B hetzt. Die Umgebungen sind zwar ziemlich linear, ihr müsst aber trotzdem immer selbst schauen, wie und wo es für euch weitergeht. Ballereien, Erkundung und Fahrzeugpassagen wechseln sich in angenehmem Tempo ab.
Die große Besonderheit des Science-Fiction-Abenteuers, das euch in eine Minenkolonie auf dem Mars versetzt, ist die sogenannte GeoMod-Technologie. Die Abkürzung steht für "Geometry Modification". Was mit der Modifikation der Geometrie gemeint ist: Ihr könnt die Levelarchitektur in Teilen zerstören. Mit dem Raketenwerfer oder Sprengsätzen reißt ihr Löcher in Wände oder grabt euch sogar Tunnel durchs Marsgestein. Das war vor 21 Jahren technisch beeindruckend und hat das Gameplay und Leveldesign enorm bereichert. Es sind zwar schon zuvor Spiele mit zerstörbarer Umgebung erschienen (man denke nur mal an den Arcade-Klassiker Space Invaders), aber mit Red Faction erreichte das Ganze einen neuen Meilenstein.
Zerstörbare Umgebung als Markenzeichen einer ganzen Serie
Red Faction 2, das bereits knapp anderthalb Jahre nach dem ersten Teil für die PlayStation 2 erschienen ist (Versionen für den PC, die Xbox und den GameCube folgten), hat zwar auch noch zerstörbare Umgebungselemente zu bieten, Volition hat die GeoMod-Technologie aber deutlich zurückgeschraubt, indem man deutlich mehr Wände und Co als unzerstörbar definierte. Das ist mit ein Grund dafür gewesen, warum die Fortsetzung nicht ganz so viel Lob kassiert hat wie der Erstling.
2009 folgte der dritte Teil namens Red Faction: Guerilla, mit dem sich die Reihe stark verändert hat: Third-Person-Perspektive statt Ego-Ansicht, Open World statt linearer Levels. Das Spiel ist sicherlich kein Genremeilenstein, aber die GeoMod-Engine, diesmal in der Version 2.0, hat dafür gesorgt, dass der Titel damals trotzdem den einen oder anderen Spieler begeistern konnte. Zwar ist in Guerilla die Marsoberfläche nicht mehr modifizierbar, dafür lassen sich Gebäude und andere, von Menschen gebaute Strukturen in all ihre Einzelteile zerlegen. Passend dazu gibt es auch Herausforderungen, bei denen es euer Ziel ist, innerhalb eines Zeitlimits Bauwerke zu zerstören. An sich ist das eine ziemlich generische Art von Nebenaktivität, aber wenn das Kaputtmachen allein aufgrund der detaillierten Physik-Engine so viel Spaß macht, lässt man eben auch diese optionalen Missionen nicht links liegen.
Auch Red Faction: Armageddon bietet umfangreiche Möglichkeiten, eurer Zerstörungswut freien Lauf zu lassen. Allerdings ist die spielerische Freiheit hier wieder arg eingeschränkt, da Volition das Open-World-Konzept des Vorgängers nicht fortgesetzt hat. Und da sich Armageddon nicht gut verkauft hat (und Publisher THQ zwei Jahre später aufgelöst wurde), bildet es bis heute den Schlusspunkt der Serie. Aber wer weiß? Vielleicht lässt THQ Nordic sie ja irgendwann wieder aufleben. Ein Remaster von Red Faction: Guerilla haben wir immerhin 2018 serviert bekommen. Und ob Volition nach dem gescheiterten Reboot von Saints Row einen weiteren Teil der Open-World-Gangsterspielreihe machen wird, sei mal auch mal dahingestellt.
Im Krieg geht nun mal viel kaputt
Zum Glück sind in den vergangenen Jahren diverse andere Spiele erschienen, in denen dynamisch zerstörbare Umgebung ein spaßförderndes Feature ist. Das prominenteste Beispiel dürfte die Battlefield-Reihe sein. Seit dem konsolenexklusiven Bad Company gehört es zur Identität der Multiplayer-Shooter von DICE, das sich Gebäude kräftig demolieren lassen. Damals war das Feature aber noch relativ simpel gestrickt. Erst mit Bad Company 2 von 2010, das PC-Spielern zum Glück nicht verwehrt geblieben ist, erreichte es ein wirklich beeindruckendes Niveau. Und in einem Online Game wie Battlefield mit seinen großen Karten sowie steuerbaren Panzern beeindruckt so eine zerstörbare Umgebung nochmal etwas mehr als in einem Singleplayer-Shooter. Ein Scharfschütze hockt im Obergeschoss eines Hauses? Na, dann reißt man ihm einfach mit der Panzerfaust wortwörtlich den Boden unter den Füßen weg oder lässt ihm die Decke auf den Knopf knallen. Göttlich!
Die Nachfolger haben diese Form der Physik-Engine beibehalten, allerdings hat DICE sie in jüngerer Vergangenheit stark limitiert. In Battlefield 2042 sind kaum noch Levelelemente zerstörbar und bei denen, wo das der Fall ist, hält sich der Detailgrad in Grenzen. Klar, das Ding hat noch viele andere Probleme, aber das DICE ausgerechnet bezüglich dieses Markenzeichens der Serie so nachgelassen hat, tut besonders weh.
Ein Indie-Titel führt die AAA-Branche regelrecht vor
Es gibt noch weitaus mehr Beispiele als Battlefield. Das erste Crysis etwa bietet die Möglichkeit, Holzhütten dem Erdboden gleichzumachen und die Strände von ihren Palmen zu befreien. Es sind aber nicht nur große AAA-Titel, in denen ihr richtig viel niederreißen könnt. Ein beeindruckender Indie-Titel ist Teardown (perfekter Name). Hier ist das Zerstören der Umgebung das Kernspielelement. Dank Voxelgrafik könnt ihr wirklich alles in den Levels zerlegen: mit Waffen, mit Sprengsätzen, mit Fahrzeugen – was ihr eben für die beste Methode haltet, um euer Ziel zu erreichen. Das sieht trotz sehr kantiger Optik spektakulär aus und macht jede Menge Freude. Um ehrlich zu sein: Teardown ist aktuell das Nonplusultra, wenn es um zerstörbare Umgebung geht.
Ein anderer in dieser Hinsicht vielversprechender Titel erwartet uns in (vielleicht) nicht allzu ferner Zukunft: The Finals von Embark Studios. Das schwedische Studio, das von ehemaligen Battlefield-Entwicklern gegründet wurde, arbeitet nicht nur an dem Koop-Titel ARC Raiders, der 2023 an den Start gehen soll, sondern auch an jenem PvP-Shooter. Dessen erster Gameplay-Trailer ist vor kurzer Zeit erschienen und zeigt eine beeindruckende Form der Umgebungszerstörung. Die Closed Alpha hat jüngst begonnen (auf Steam könnt ihr euch dafür anmelden), einen Release-Termin hat The Finals aber noch nicht. Es heißt nur, dass es vor ARC Raiders erscheinen soll, das deswegen auch aufs nächste Jahr verschoben wurde. Ob das nun aber auch bedeutet, dass The Finals noch 2022 an den Start gehen soll, ist unbekannt.
Bitte mehr davon!
Dynamisch zerstörbare Umgebung ist ein großartiges Feature. Leider findet sich das eben nur in verhältnismäßig wenigen Spielen. Die "Red Faction"-Serie hat es etabliert, ein paar Entwickler haben es "nachgemacht", aber in den meisten Titeln ist der Zerstörungsgrad arg limitiert. Man kann schon froh sein, wenn sich in einem Call of Duty das Mobiliar in einem Raum auseinandernehmen lässt. Explosive Fässer, ein Klassiker des Actionspielgenres, könnte man zwar genaugenommen als Form der zerstörbaren Umgebung bezeichnen, aber wenn dabei nur das Fass selbst Schaden nimmt (und etwaige Gegner in dessen Nähe), hat das wenig mit dem zu tun, was wir in diesem Artikel so sehr loben.
Wir würden uns wünschen, dass in Zukunft mehr Titel uns die Möglichkeit bieten, Levels auf detaillierte Art und Weise zu verwüsten. Allerdings verstehen wir, dass das kein sinnvolles Feature für jede Art von Videospiel. Warum sollte man in einem Story-lastigen Rollenspiel à la The Witcher 3: Wild Hunt ganze Gebäude nach Belieben zertrümmern können? Hier würde dieses Feature schlicht nicht zum Spielkonzept passen. Aber für kommende "Call of Duty"-Teile wäre es schon wünschenswert, wenn die mehr zerstörbare Elemente in ihren Levels bieten würden. Und ansonsten wäre tatsächlich ein neues Red Faction begrüßenswert – gerne wieder als Ego-Shooter und vielleicht nur mit einer halboffenen Spielwelt.