Selten sind Spiele schlicht nach ihrer Kernspielmechanik benannt. Und noch viel seltener ist die eines der besten Features aller Zeiten, so wie im Fall von Portal.
Die besten Features: Die Portalmechanik aus Portal
2007 veröffentlichte Valve eines der in Sachen Preis-/Leistungsverhältnis bis heute besten Angebote der Videospielbranche überhaupt: die Orange Box. Das war eine Spielesammlung zum Preis von um die 45 Euro, die mächtig viel Inhalt geboten hat, nämlich satte fünf Spiele. Gut, zwei davon waren damals schon ein alter Hut, namentlich Half-Life 2 und Half-Life 2: Episode 1. Obendrauf gab es aber eben drei völlig neue Titel: Half-Life 2: Episode 2 für diejenigen, die wissen wollten, wie die Story rund um Gordon Freeman und Alyx Vance weitergeht. Für Fans taktischer Multiplayer-Action gab es Team Fortress 2. Die Collection vervollständigte ein damals kleines, unscheinbares Puzzlespiel. Der Name: Portal.
Was wie ein netter Zusatz wirkte, entpuppte sich für viele Spieler als kleines Highlight der Orange Box. Statt guter Hand-Augen-Koordination wie in den anderen Werken ist hier Köpfchen gefragt. Kernelement des Spiels: die namensgebenden Portale. Die haben damals jeden fasziniert, der das Ding einmal ausprobiert hat, und sind gemeinsam mit der Portalkanone eines der besten Features, das es jemals in ein Videospiel geschafft hat.
Portale gab es schon vorher
Bevor ich aber mit der Lobesarie auf Portal und sein Gameplay beginne, muss ich erst mal was klarstellen: Nein, Portal ist nicht das erste Spiel mit Portalen dieser Art gewesen. 2006 erschien das erste Prey von Human Head Studios: ein Ego-Shooter, über den heute kaum noch jemand spricht – auch, weil er seit Jahren gar nicht mehr verkauft wird und somit als Abandonware bezeichnet werden darf. Das ist äußerst schade, weil dieses Prey (nicht zu verwechseln mit dem Prey von Arkane Studios aus dem Jahr 2017) ein wirklich cooles Spiel mit so einigen netten Ideen ist.
Eine davon sind Portale. Im Gegensatz zu anderen Spielen aus der damaligen Zeit dienen sie nicht als Verbindung zweier komplett unterschiedlicher, voneinander getrennter Levels. Es gibt keine Ladezeit, wenn ihr durch eines dieser Portale geht. Stattdessen genießt ihr einen fließenden Übergang und könnt auch jederzeit wieder zurück. Ihr seht sogar auf Seite A des Portals, was euch auf Seite B erwartet, und umgekehrt – also exakt so wie in Portal. Technisch hat mich das damals enorm fasziniert und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Die Vorlage für Portal: ein Studienprojekt
In Prey sind die Portale noch kein Gameplay-Element, sondern mehr eine technische Spielerei, die visuell begeistert. Bei Portal sieht das ganz anders aus. Doch bevor wir zum Valve-Klassiker kommen, muss ich noch auf dessen Vorgeschichte eingehen. Die leitende Entwicklerin war Kim Swift, die zuvor am DigiPen Institute of Technology in Redmond, Washington studiert hat. Im Zuge dessen entwickelte sie mit einigen Kommilitonen den kleinen Puzzle Plattformer Narbacular Drop – und in dem steckt bereits die Portalmechanik, für die Portal später so weltberühmt geworden ist. Neugierige können das Studienprojekt heute noch auf der DigiPen-Webseite kostenlos herunterladen.
Narbacular Drop war für Swift und die anderen Mitglieder des Teams der Schlüssel zu einer Festanstellung bei Valve. In einem Eurogamer-Interview von 2009 erzählt sie, dass das DigiPen eine Ausstellung veranstaltete, bei der sich Mitarbeiter von Entwicklerstudios die Arbeiten der Studierenden anschauen konnten. Damals wurde Valve auf Narbacular Drop aufmerksam und einige Zeit später arbeiteten Swift und ihre Kollegen bei dem großen Studio in Seattle an Portal.
Das hätten sich ruhig mal mehr Leute abschauen dürfen
Portal ist ein sehr kurzes Vergnügen. Ungefähr drei Stunden dauert es bloß, bis der Abspann läuft. Aber ich rede hier von drei der besten Stunden, die ihr mit einem Spiel verbringen könnt. Dazu tragen nicht nur das clevere Storytelling und der grandiose Humor bei, sondern primär das Game Design, das bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt hat – sicherlich auch deswegen, weil die zentrale Portalmechanik in kaum einem Spiel außerhalb der Portal-Reihe Verwendung findet.
Man wünscht sich eigentlich immer, dass sich Entwickler neue Dinge einfallen lassen. Aber dieses Feature von Portal hätten sich schon mehr Teams abgucken können, um es in Spiele mit völlig anderen Grundkonzepten zu integrieren. Der Multiplayer-Shooter Splitgate ist das beste Beispiel dafür, warum sich dieses Vorgehen lohnen kann.
Faszinierende Technologie
Aber was macht denn die Portalmechanik von Portal so großartig? Nun, da wäre zum einen eben die Technik, die dahintersteckt. Mit der Portalkanone, die ihr kurz nach Spielstart erhaltet, platziert ihr bis zu zwei Portale an (mehr oder weniger) beliebigen Stellen im Raum: ein blaues und ein rotes. Geht ihr durch das eine, kommt ihr aus dem anderen wieder raus. Damit lassen sich ein paar witzige Spielereien anstellen. Zum Beispiel seht ihr euch selbst durch ein Portal, wenn ihr das andere auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes platziert. Und wenn ihr ein Portal an der Decke sowie das andere genau darunter auf dem Boden setzt und dann durch letzteres springt, erlebt ihr einen endlosen Sturz.
Mich begeistert das auch nach fast 15 Jahren genauso wie beim ersten Mal. Und noch immer frage ich mich: "Wie haben die das technisch hinbekommen?" Zumal es ja nicht nur um einen optischen Effekt geht. In Portal spielt auch Physik eine nicht unwesentliche Rolle. Wenn ihr ein Portal im Boden eines Abgrunds setzt sowie das zweite ganz oben an einer Wand und euch dann in ersteres fallen lasst, baut ihr so viel Geschwindigkeit auf, dass ihr mit ausreichend hohem Tempo aus dem zweiten Portal herausschießt und so eine Schlucht überqueren könnt, über die ihr sonst nicht springen könntet. Wie ein gewisser Vulkanier dazu sagen würde: "Faszinierend."
Wer Portal durchspielt, ist nicht dumm
Der Grund, warum Portal ein fantastisches Werk ist: Das ganze Spiel ist um diese Portalmechanik herum designt. Sie ist Kernbestandteil der vielen Umgebungsrätsel, die ihr lösen müsst, um von einem Bereich zum nächsten zu gelangen. Am Anfang sind die Puzzles noch simpel, aber in der zweiten Spielhälfte erwarten euch so einige harte Kopfnüsse. Ich gebe es zu: Als ich 2007 mit 17 Jahren das erste Mal Portal gespielt habe, habe ich es mittendrin frustriert aufgegeben und nicht durchgezockt. Ich war einfach zu dumm dafür.
Diejenigen, denen es anders erging, lechzten nach ihrem ersten Durchgang nach mehr. Das bekamen sie vier einige Jahre später in Form von Portal 2. Das ist nicht nur ein größeres Spiel, Valve hat die Spielmechanik noch weiter ausgebaut und etwa um Gel mit unterschiedlichen Effekten erweitert. Die blaue Variante lässt euch sehr hoch springen, die orangene gibt euch einen Geschwindigkeitsschub und die weiße gestattet es euch, dort Portale zu platzieren, wo es sonst nicht gehen würde.
Obendrein bietet Portal 2 einen Koop-Modus. Der erzählt eine eigene Geschichte abseits der Haupthandlung und ihr spielt darin die beiden Roboter Atlas und P-Body. Zwei Spieler bedeutet in dem Fall, dass ihr bis zu vier Portale setzen könnt, was die Komplexität der Rätsel nochmal deutlich erhöht. Aber hey, ihr zwei Gehirne können ja auch mehr als eines. Na ja, zumindest sollte man das meinen.
Wo bleibt Portal 3?
Portal 1 und 2 sind unheimlich clever designt und sprühen nur so vor tollen Puzzle-Ideen. Das Entwicklerteam hat es nicht nur geschafft, sich eine großartige Spielmechanik auszudenken, sondern sie auch noch auf die beste Art und Weise mit dem Leveldesign vereint. Beide Spiele kommen zusammen auf eine Spielzeit von circa 18 Stunden (den Koop-Modus von Teil 2 mitgerechnet) und keine einzige Minute davon ist langweilig. Nicht einmal kommt man auf den Gedanken: "Boah, also es wäre echt mal cool, wenn ich was anderes machen würde, außer mit Portalen herumzurätseln." Das zeigt einfach die große Klasse dieser Titel. Und da verwundert es nicht, dass sich viele Fans ein Portal 3 wünschen.
Aber ach, wir reden ja von Valve. Man sagt dem Studio nicht ohne Grund nach, dass es die Zahl 3 nicht möge und wir deshalb weder Half-Life 3 noch Left 4 Dead 3 noch Portal 3 noch Dota 3 bekommen. Na gut, letzteres verlangt sicherlich niemand. Immerhin: Modder haben 2021 eine umfangreiche Modifikation für Teil 2 namens Portal Reloaded veröffentlicht. Die bietet nicht nur eine eigene Story mit zahlreichen Puzzles, sondern führt auch noch ein drittes Portal ein. Mit dem reist ihr aber nicht durch den Raum, sondern auch die Zeit, so dass ihr zwei Versionen einer Rätselkammer habt. Wenn die Hauptspiele euren Kopf nicht genug zum Rauchen gebracht haben sollten, wird diese Fankreation es sicherlich zustande bringen. Doch so gut sie auch sein mag, eine vollwertige Fortsetzung kann sie nicht ersetzen. Daher die freundliche Auffor…., äh, Bitte: Valve, entwickle doch mal Portal 3. Das wäre echt dufte. Es gibt dann auch Kuchen. Solange müssen wir uns mit der Portal: Begleiterkollektion, die vor wenigen Tagen für die Switch erschienen ist, begnügen.