Eigentlich hat die Beta von Call of Duty: Modern Warfare 2 sehr viel Spaß gemacht, doch das undurchsichtige Fortschrittssystem bremst die Euphorie gehörig aus.
Call of Duty – Modern Warfare 2: Gameplay hui, Progression pfui
Nach dem vergangenen Wochenende weiß ich ganz genau, was ich ab Ende Oktober machen werde. Ich werde wie in jedem der vergangenen Jahre dem Ruf der Ehre folgen und mich auf internationale Schlachtfelder begeben – natürlich nur virtuell, bin ja schließlich im echten Leben Pazifist. Aber mit der Hand an Maus und Tastatur kann ich kaum genug davon kriegen, Pixelsoldaten oder -terroristen oder wen auch immer man mir als Gegner vor die Nase setzt über den Haufen zu ballern. Erst recht dann, wenn das Schießen so viel Spaß macht wie in Call of Duty: Modern Warfare 2. Damit ist an dieser Stelle nicht das Spiel aus dem Jahr 2009 gemeint, sondern das neue Modern Warfare 2, der Nachfolger zu Call of Duty: Modern Warfare von 2019. Ja, die Benennung von Spielen wird immer einfallsloser. Aber mir soll's recht sein, wenn denn die virtuelle Action am Ende richtig viel Laune macht. Und das könnte in diesem Fall passieren, allerdings hat die Beta eine große Schwäche offenbart, die Infinity Ward bis zum Release hoffentlich noch halbwegs ausmerzt.
Das ballert!
Fangen wir aber erst mal mit dem Positiven an: Während sich viele alteingesessene Fans darüber ärgern, dass Gegner wie schon 2019 nicht von Haus aus als rote Punkte auf der Karte markiert werden, habe ich in meinen diversen Beta-Matches einen Haufen Freude mit Call of Duty: Modern Warfare 2 gehabt. Schnell hat sich ein ähnliches Spielgefühl eingestellt wie im Vorgänger. Das Tempo ist auf ähnlichem Level und damit niedriger als in Black Ops – Cold War und Vanguard. Also ja, Call of Duty ist immer noch ein Multiplayer-Shooter der schnellen Sorte, aber es zahlt sich halt manchmal aus, nicht durchgehend zu sprinten, sondern mal vorsichtig durch einen Türspalt oder um eine Hausecke zu lugen. Ist gerade keine Drohne im Einsatz, die die Feindpositionen verrät, sollte man seine Lauscher aufsperren und auf Schrittgeräusche achten, um Gegner zu lokalisieren. Das funktioniert sehr gut – fast ein bisschen zu gut, weil die Sounds wirklich laut sind. Dass ich aber mit einem Headset ohne 3D-Ton oftmals sehr gut ausmachen konnte, dass ein Gegner hinter einer Wand und höchstwahrscheinlich gleich in meinem Visier ist, ist ein gutes Zeichen.
Generell ist der Sound in Call of Duty: Modern Warfare 2 wieder absolut göttlich. Die Waffen klingen richtig satt, was das eh schon hervorragend wuchtige Gunplay weiter veredelt. Ob mit M4-Sturmgewehr oder Schrotflinte: Einen feindlichen Soldaten niederzuballern, ist ungemein befriedigend – auch wenn die Reaktion auf tödliche Treffer manchmal etwas übertrieben wirkt, wenn die frische Leiche einen halben Meter in die Luft geschleudert wird. Die "Time to Kill" ist schon relativ niedrig, das gebe ich zu, mich hat das aber nur in seltenen Fällen gestört.
Gute Maps, viele Modi
Das Kartendesign ist durchaus einer der Schwachpunkte von Call of Duty: Modern Warfare gewesen. Ein paar der zum Start verfügbaren Maps sind klasse, es sind aber auch richtige Rohrkrepierer dabei gewesen. Die gute Nachricht für alle, die nun sehnsüchtig auf Modern Warfare 2 warten: Keines der in der Beta spielbaren Schlachtfelder ist schlecht. Sowohl die vier Karten für 6-gegen-6-Modi als auch die zwei größeren Levels für "Bodenkrieg" und den neuen "Invasion"-Modus gefallen mir richtig gut. Die kleineren Schauplätze basieren auf dem klassischen "3 Lanes"-Prinzip und das macht sich bezahlt. Die Laufwege prägen sich schnell ein, das Gleiche gilt für mögliche Sniper-Positionen und allgemein die häufig genutzten Schusslinien. Zudem sind die Maps optisch abwechslungsreich. Mal kämpft ihr in einer Zementfabrik, mal in einem stilvollen Museum und dann wieder auf den Straßen einer typischen mexikanischen Stadt.
Auch in Sachen Spielmodi hinterlässt die Beta einen positiven Eindruck. Die Vielfalt hat sich bereits hier sehen lassen können. Neben den Klassikern "Team Deathmatch", "Herrschaft", "Suchen & zerstören" und "Stellung" gibt es mit "Knock-out" sowie "Gefangenenrettung" zwei neue Varianten. Ersteres ist im Grunde "Team Deathmatch", jedoch ohne Respawns (aber mit der Option, gefallene Teamkameraden wiederzubeleben). Letzteres ist Counter-Strike entliehen. Team A muss zwei Geiseln befreien, Team B das verhindern. Aufgrund dessen, dass Respawns eben nicht möglich sind, spielt Teamplay hier eine große Rolle und vorsichtigeres Vorgehen zahlt sich ordentlich aus. Das Spieltempo ist dadurch nochmal wesentlich langsamer als etwa in "Team Deathmatch".
Ebenfalls neu ist "Invasion". Hier treten pro Team 20 Spieler an und auf beiden Seiten kommen noch Bots hinzu. Im Kern handelt es sich auch hierbei um eine "Team Deathmatch"-Variante“, aber eben in größerem Maßstab. Zugegeben, die KI-Soldaten verhalten sich teilweise ziemlich unterbelichtet. Mir ist es einmal passiert, dass drei oder vier von ihnen auf einem Dach, nein, auf einem Fleck standen und ich sie problemlos niedermähen konnte. Trotzdem ist "Invasion" ein echt spaßiger Modus.
Erfreulicherweise gilt das Gleiche für "Bodenkrieg". Das kennen wir schon aus dem Vorgänger, diesmal macht es aber deutlich mehr Spaß. Das liegt unter anderem daran, dass sich Fahrzeuge in Call of Duty: Modern Warfare 2 viel besser steuern. Außerdem fielen meine gespielten Runden weniger chaotisch aus, als ich es aus dem Teil von 2019 in Erinnerung habe. Tatsächlich entbrannten richtig spannende Kämpfe um einzelne Flaggenpunkte und dadurch kam fast echtes Battlefield-Feeling auf. Ok, es fehlen die Rollenverteilung eines Klassensystems und die zerstörbare Umgebung, aber mir macht "Bodenkrieg" deutlich mehr Spaß als Battlefield 2042. Na gut, das ist nun auch keine sonderlich große Leistung. Sagen wir es so: Habe ich um den Modus im 2019er-"Modern Warfare" einen großen Bogen gemacht, kann ich mir gut vorstellen, manche "Modern Warfare 2"-Abende nur damit zu verbringen.
Wie man ein Progressionssystem so richtig versemmelt
Kommen wir zum großen Aber von Call of Duty: Modern Warfare 2, das mir nach jeder spaßigen Partie gleich wieder eine Faust in die Magengrube verpasst hat: Das Progressionssystem ist absolut grausig. Ich weiß nicht, was sich Infinity Ward dabei gedacht hat. Ok, ihr levelt immer noch klassisch auf und schaltet dadurch neue Waffen, sonstige Ausrüstung, Abschusserienbelohnungen und Feldaufrüstungen frei – so weit, so gut. Es bleibt auch dabei, dass ihr mit jeder einzelnen Waffe im Rang aufsteigt und euch so neue Aufsätze erspielt. Die Modifikationsmöglichkeiten im Waffenschmied sind auch wieder enorm groß, was ich begrüße.
Das Problem, das nun herrscht, möchte ich anhand eines Beispiels skizzieren: Die Waffe, mit der jeder Spieler in der Beta von Call of Duty: Modern Warfare 2 gestartet ist, ist das M4. Kampf-, Maschinen- und Scharfschützengewehre sowie Maschinenpistolen sind zu Beginn (wenn man die vorgefertigten Klassen außen vorlässt), gar nicht nutzbar, was eine ziemlich dumme Idee seitens der Entwickler ist. Jedenfalls habe ich meine ersten Runden mit besagtem M4 bestritten und schnell ein Visier freigeschaltet. Das ist aber kein Reflexvisier, sondern eines für den Kampf auf mittlere Distanz mit richtigem Fernrohr. Da stellte sich mir die Frage, wann ich denn mein erstes Reflexvisier erhalte. Nun … Nach mehreren Spielstunden, 20 Rangaufstiegen und einem M4 auf dem 19. von 20 Levels … habe ich immer noch keines! WAS ZUR HÖLLE?!
Mit dem M4 selbst kann ich kein Reflexvisier für das M4 freischalten. Ich muss dazu andere Waffen spielen. Ich dachte dann: "Na gut, wenn ich mit dem FTAC-Recon-Kampfgewehr Level 2 erreiche, kriege ich ein neues Visier und das wird ja wohl so eines sein, wie ich es haben möchte." Pustekuchen! Was ich dafür bekam, ist ein noch viel größerer Fernrohraufsatz gewesen. Das nächste Visier bekomme ich, wenn ich mit dem Icarus-MG Rang 5 erreiche. Was das für eines ist? Keine Ahnung, das wird mir im Fortschrittsmenü nicht angezeigt. Und leider ist auch bei der Visierauswahl im Waffenschmied nirgends verzeichnet, wie man noch gesperrte Aufsätze freispielt.
Mit diesem neuen System, das verschiedene Waffen quasi in Fortschrittsbäumen zusammenfasst, wollte Infinity Ward laut eigener Aussage den Grind reduzieren. Man soll nicht mehr jede Waffe aufs Maximallevel bringen müssen, um alle Aufsätze für sie freizuschalten. Grundsätzlich eine gute Idee, aber warum muss mich das Spiel nun dazu zwingen, mit Schießprügeln zu spielen, auf die ich gar keine Lust habe, damit ich Modifikationen für meine Lieblingsknarren bekomme? Und wieso dauert es Stunden, bis ich mal ein Reflexvisier erhalte?!
Obendrein ist die Menüführung in Call of Duty: Modern Warfare 2 richtig schlimm. Gefühlt braucht nun alles einen Klick mehr als in den vorherigen Serienteilen. Die Menüs sind nun außerdem nicht mehr vertikal, sondern horizontal strukturiert. Bei der Modi-Auswahl passen gar nicht alle Spielvarianten auf einen Bildschirm, weil die Kacheln so groß sind. Und dann ist der ganze Waffenschmied-Bereich so arg verschachtelt. Ich bekomme auch nicht mehr wie in Modern Warfare 1 angezeigt, in welcher Aufsatzkategorie ich etwas Neues zur Auswahl habe. Kann ich mir die zuvor im "Du hast Waffe XY aufgelevelt"-Bildschirm nicht die angezeigten freigeschalteten Aufsätze merken, muss ich danach selbst nach ihnen suchen.
Einschätzung
Nun reden wir hier von einer Beta und bis zum Release von Call of Duty: Modern Warfare 2 dauert es noch knapp einen Monat. Infinity Ward wird zwar das Progressionssystem nicht mehr komplett umstellen, aber ich hoffe doch, dass man zumindest die Reihenfolge, in der ich Waffenaufsätze freischalte, etwas anpasst. Mein Optimismus diesbezüglich ist aber recht gering, weshalb ich jetzt schon weiß, dass mich das System auch in der Vollversion aufregen wird. Glücklicherweise macht mir der Rest des Spiels eine Menge Spaß. Das Gunplay ist fantastisch, die bisher bekannten Karten wissen zu gefallen und die Auswahl an Spielmodi ist beachtlich – und wird garantiert im Laufe des Lebenszyklus noch weiter ausgebaut. Ich werde garantiert sehr viele Stunden auf den Online-Servern verbringen. Aber wenn sich in Sachen Progression nicht noch großartig was ändert, wird Call of Duty: Modern Warfare 2 nicht die Klasse seines Vorgängers erreichen.