Trotz schwacher Technik und diverser inhaltlicher Macken ist der Bau-Simulator ein netter Zeitvertreib, bei dem man wunderbar abschalten kann.
Bau-Simulator: Mäßiges Spiel, aber perfekt zum Entspannen
Ich habe Berufssimulationen lange Zeit nur müde belächelt. Mit dem Landwirtschafts-Simulator habe ich noch nie etwas anfangen können und diese ganzen anderen Spiele, die Astragon, Aerosoft und wie sie nicht alle heißen über die Jahre veröffentlicht haben, wirkten auf mich immer wie sehr billig zusammengeschusterte Titel, mit denen man schnelles Geld verdienen möchte. Lange Zeit war das meine Meinung gegenüber dem ganzen Genre, bis ich den Euro Truck Simulator 2 für mich entdeckt habe. Als Kind fand ich Lastwagen total cool und virtuell Auto zu fahren, hat mir eh schon immer Spaß gemacht. Erfreulicherweise ist die Fernfahrersimulation des tschechischen Entwicklers SCS Software ein sehr kompetent gemachtes Spiel – etwas, das auf viele andere Jobsimulatoren nicht zutrifft. Der Bau-Simulator ordnet sich irgendwo dazwischen ein. Viel mehr hatte ich auch gar nicht von ihm erwartet, trotzdem weckten die Trailer mein Interesse, so dass ich ihn mir einfach mal anschauen musste. Und obwohl ich keineswegs begeistert bin, bereue ich den Kauf nicht.
Spannendes Konzept
Ich hege keine Leidenschaft für Baumaschinen. Weder halte ich bei Baustellen an, um mir anzuschauen, wie die Leute dort mit Kran und Co arbeiten, noch habe ich eine Sammlung Modellbagger in meiner Wohnung stehen. Solange ich mich nicht über Bauarbeiten ärgere, weil sie in meiner unmittelbaren Nähe stattfinden und mich auf irgendeine Weise stören, ist mir das Thema vollkommen egal. Aber als ich vor zwei Monaten vom Bau-Simulator erfuhr und mich näher damit befasste, war meine Neugier geweckt. Ein Open-World-Spiel, dessen Welt ich langfristig mitpräge, indem ich für unterschiedliche Auftraggeber Bauprojekte umsetze? Dazu noch eine Prise Wirtschaftssimulation und zig Arten von Baufahrzeugen, die ich selbst steuern darf? Aus irgendeinem, mir unerfindlichen Grund hatte mich das Ding am Haken. Und so freute ich mich auf den Release am 20. September, an dem ich auf Steam den grünen "In den Warenkorb"-Button drücken würde.
Nach einigen Stunden, die mein eigenes Bauunternehmen JB Constructions (ja, ich weiß, super einfallsreicher Name) nun alt ist, könnte ich keinen voll aussagekräftigen Test schreiben. Dafür habe ich dann doch noch zu wenig gesehen, denn der Bau-Simulator ist ein ziemlich großes Spiel. Es gibt zwei Karten (eine mit deutschem, die andere mit US-Setting), die jeweils ihre eigene Kampagne mit etlichen Haupt- und Nebenmissionen haben. Wer die Schnellreisefunktion kaum oder gar nicht nutzt und die Aufträge stets zu 100 Prozent selbst ausführt (man kann auch einzelne Schritte überspringen), ist selbst mit kleinen Jobs wie dem Bau einer Garage für ein Einfamilienhaus eine Stunde beschäftigt.
Ich bin ja keine Grafikhure, aber ...
Es reicht also an dieser Stelle nur für einen groben Ersteindruck – und der fällt, nüchtern betrachtet, gar nicht so positiv aus. Auf die Frage, ob der Bau-Simulator ein gutes Spiel ist, würde ich angesichts des aktuellen Zustands sagen: "Nein, meinem Eindruck nach eher nicht." Das heißt nicht, dass der Titel schlecht sei, er ordnet sich für mein Empfinden im Mittelfeld ein. Dafür ist unter anderem die Technik verantwortlich. Die lizenzierten Baumaschinen von DAF, Kenworth, Bell, Bobcat und anderen namhaften Herstellern sind detailliert nachgebaut, aber schaut man sich NPCs oder die Umgebung an, fällt eben doch auf, dass Entwickler weltenbauer, Software Entwicklungs GmbH kein riesiges Studio mit AAA-Budget ist.
Vor allem alles, was weit von euch entfernt ist, sieht nun wahrlich nicht schick aus, weil das sogenannte "Level of Detail" nicht sehr hoch ist. Trotz mittelprächtiger Optik läuft der Bau-Simulator nicht immer so flüssig, wie man das erwarten würde. Regelmäßig sinkt die Bildrate merklich unter die 60-FPS-Grenze – und das auf einem PC mit einer RTX 3080 Ti wohlgemerkt.
Kameraführung will gelernt sein
Dass der Versuch von weltenbauer, in den Kampagnen kleine Geschichten zu erzählen, nicht so ganz von Erfolg gekrönt ist (die schlecht geschriebenen Monologe der Auftraggeber überspringt man doch ganz gerne)? Geschenkt! Wenn ich eine schöne Story erleben möchte, zocke ich ein Rollenspiel oder Adventure, keine Berufssimulation. Weniger verzeihen kann ich dem Bau-Simulator seine miese Kamerasteuerung. Wenn ich etwa mit einem LKW fahre und dazu das Gamepad nutze, kann ich nicht einfach so mit dem rechten Analog-Stick wie im Euro Truck Simulator 2 die Kamera drehen. Nein, ich muss den linken Analog-Stick drücken, um in den Kameramodus zu wechseln. Würde ich zu Maus und Tastatur greifen, könnte ich meinen Blickwinkel mit ersterer jederzeit ändern, aber mit den Tasten des Keyboards zu fahren, kommt für mich nicht in Frage (wobei die Fahrphysik eh nicht sonderlich gut ist, da bringt auch ein Controller nicht viel).
Wenn ich dann auf einer Baustelle bin und zum Beispiel mit einem Kran schwere Objekte von A nach B hieve, folgt die Kamera zwar automatisch den Bewegungen, trotzdem muss ich sie immer wieder nachjustieren. Hier zeigt sich dann zwar, warum es dafür einen Extrakameramodus braucht, denn sonst dient nicht nur der linke, sondern auch der rechte Analog-Stick zum Steuern der Maschinen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Ganze nicht sonderlich intuitiv ist und dadurch ziemlich nervig sein kann.
Zwei Spiele in einem
Obendrein stört mich die eingangs angesprochene Aufsplittung auf zwei Kampagnen. Ich habe auf der deutschen Map angefangen und mich durch deren Tutorial- beziehungsweise Prologkampagne gespielt. Erst, wenn die abgeschlossen ist, dürft ihr euch den eigentlichen Haupt- und Nebenmissionen widmen und den Bau-Simulator im Multiplayer zocken. Wenn ich nun zur Abwechslung mal auf der US-Karte Straßen planieren und Gebäude errichten möchte, muss ich dafür einen neuen Spielstand erstellen – und erneut ein Tutorial bestreiten.
Warum hat sich weltenbauer nicht dafür entschieden, mir am Anfang die freie Wahl zwischen beiden Szenarien zu lassen, um mir dann später an einem bestimmten Punkt im Spielverlauf die Möglichkeit zu geben, mit meinem Unternehmen zu expandieren und zwischen beiden Levels beliebig zu wechseln? Ich weiß nicht, ob ich irgendwann nach etlichen Stunden auf Map A Lust habe, auf Map B nochmal bei Null anzufangen.
Entspanntes Bauen
Ok, genug der kritischen Worte, denn wie ihr der Überschrift und dem ersten Absatz entnehmen könnt, hege ich keinen Groll gegen den Bau-Simulator, sondern habe trotz all der Macken Spaß daran, Bauprojekte in die Tat umzusetzen. Warum? Nun, ich mag den grundsätzlichen Spielablauf. Ich nehme einen Auftrag an, beschaffe dann zum Beispiel erst mal mit einem LKW die benötigten Baumaterialien, hebe dann mit einem Bagger einen Graben aus, gieße Beton etc., bis irgendwann ein fertiges Gebäude an Ort und Stelle steht.
Die einzelnen Arbeitsschritte stellen keine großen spielerischen Herausforderungen da. Man könnte weltenbauer vorwerfen, hier keine richtig realistische Simulation gebaut zu haben, sondern ein einer arcadiges Spiel. Wenn ihr mit einer Walze Kies verdichten sollt, müsst ihr nicht wirklich jedes einzelne Steinchen dabei bearbeiten. Ihr fahrt einmal grob über die gesamte Fläche und dann füllt sich der Fortschrittsbalken fast von alleine.
Mir ist das nur recht. So artet der Bau-Simulator nicht in zu krasser Fleißarbeit aus und der Entspannungseffekt wird nicht gestört. Für mich ist das Spiel super, um mich abends nach der Arbeit zurückzulehnen, einen Podcast zu hören oder YouTube-Videos zu schauen, während ich entweder Baustoffe von A nach B bringe oder mit Bagger, Kran, Dampfwalze und Co spiele. Und am Ende sehe ich immer das Ergebnis meiner Arbeit in Form eines Gebäudes, einer Parkanlage, einer schönen Straße oder was der Bau-Simulator sonst noch so zu bieten hat.
Fahre ich später an jenen Stellen nochmal vorbei (was aufgrund der geringen Größe der Karten sehr wahrscheinlich ist), werde ich wieder an das zurückerinnert, womit ich mich Stunden zuvor beschäftigt habe. Das ist einfach ein schönes Gefühl, so seinen Stempel in der Spielwelt zu hinterlassen, auch wenn im Bau-Simulator kein Platz für Kreativität ist. Ihr designt hier eben nichts selbst, sondern arbeitet Checklisten ab, so dass Schritt für Schritt aus einer Baustelle ein fertiges Werk wird. Für alles andere gibt es schließlich Minecraft und Co.
Hoffnungsvoller Blick gen Zukunft
Ok, ich habe also Spaß mit einem mittelmäßigen Spiel. Daran ist ja auch nichts verwerflich. Schlimmer wäre es vielleicht, wenn ich euch jetzt beichten würde, dass ich den Doom-Film mit Dwayne Johnson mag, obwohl der schon echt nicht gut ist, und … Oh, verdammt! Ok, das vergessen wir einfach wieder ganz schnell, in Ordnung? Ähem! Jedenfalls macht mir der Bau-Simulator aktuell Freude und er kann ja in den kommenden Monaten noch zu einem besseren Spiel reifen. Die Entwickler haben bereits angekündigt, an diversen Optimierungen zu arbeiten. Gerade eben Dinge wie die Kamerasteuerung und die Performance lassen sich mit Updates verbessern. Mal schauen, was die Zukunft bringt.