In Nightingale erkundet ihr nicht eine, sondern etliche fremde Welten. Nicht nur, dass sie prozedural generiert werden, ihr habt Einfluss auf diesen Vorgang. Das System klingt cool, birgt aber auch Gefahren.
Nightingale: Das Für und Wider der prozeduralen Generierung
Die Statue eines geflügelten Löwen, ein riesiges Rad, ein Friedhof und fremdartige Architektur: Die neuen Bilder aus Nightingale machen Lust auf mehr. Vor wenigen Tagen hat der Entwickler Inflexion Games sie auf der offiziellen Webseite des Survival-Spiels veröffentlicht, um zu zeigen, woran Environment Artist Zach Rudin zuletzt gearbeitet hat, und was für interessante Orte ihr in Nightingales Welten erkunden können werdet, sobald es irgendwann in diesem Frühjahr in den Early Access startet. Die Screenshots wecken Neugierde, zeigen sie doch Spuren der Fae-Zivilisation, die jene Schauplätze einst bewohnt hat. Das Versprechen der Entwickler an dieser Stelle: Ihr sollt viele dieser "Points of Interests" in den Welten finden, die es wert sind, erforscht zu werden. Was wir dabei aber nicht vergessen dürfen: Diese Orte mögen händisch designt sein, die Welten sind es jedoch nicht.
Kurzer Exkurs
Prozedural generierte Welten begleiten uns schon seit Jahrzehnten. Bereits das erste Elite aus dem Jahr 1984 hat auf diese Technik gesetzt, um seine riesige Galaxie auf den Bildschirm zu zaubern. Oftmals dient prozedurale Generierung nur dazu, die Basis einer Open World zu erschaffen, die dann so angepasst wird, dass man ihr im besten Fall gar nicht anmerkt, dass sie nicht zu 100 Prozent von Leveldesignern per Hand gestaltet wurde. Die Titel von Bethesda Game Studios, das derzeit an Starfield sitzt, sind gute Beispiele dafür, also etwa Fallout 4 und The Elder Scrolls 5: Skyrim.
Andere Entwickler werben geradezu damit, dass die Welten ihrer Spiele prozedural generiert werden und versprechen, dass sich kein Durchlauf wie der andere anfühle, da einen jedes Mal eine völlig neue Spielumgebung erwarte. Inflexion Games geht sogar noch einen Schritt weiter: In Nightingale bestimmt ihr zu einem gewissen Grad selbst, wie die Welten aussehen soll, die die Software für euch erstellt.
"Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt"
In Nightingale erkundet ihr nicht eine Open World, sondern mehrere. Weil die Erde dem Untergang geweiht ist, versucht ihr, über das arkane Portalnetzwerk zu der Stadt zu gelangen, die dem Spiel seinen Namen verleiht und als letzte Bastion der Menschheit gilt. Blöderweise bricht das Netzwerk zusammen und ihr strandet in irgendeiner der unendlich vielen Fae-Welten. Dort geht ihr erst mal auf Ressourcensuche und errichtet eine Basis.
Irgendwann seid ihr aber in der Lage, ein Portal zu einer anderen Welt zu öffnen. Die große Besonderheit des Spiels ist sein Reichskartensystem: Ihr erlernt Rezepte für unterschiedliche Karten, mit denen ihr Einfluss darauf nehmt, was für Welten Nightingale prozedural generiert. So bestimmt ihr das Biom und zum Beispiel, welche Ressourcen es dort zu finden gibt oder welchen Kreaturen ihr begegnet. Durch dieses Feature hebt sich das Spiel von anderen Genrevertretern ab und es klingt in der Tat spannend. Wo ihr in anderen Survival-Titeln "nur" mit besserer Ausrüstung und neuen Bauoptionen belohnt werdet, werdet ihr in Nightingale hoffentlich regelmäßig neue Kartenrezepte freischalten, die es euch wiederum ermöglichen, auf völlig neue Dinge in den Welten zu stoßen.
Generell könnten sich die prozedural generierten Welten als echte Bereicherung entpuppen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Statt nur eine Open World zu erforschen, in der ihr eben irgendwann alles gesehen habt und die in jedem Durchlauf dieselbe ist, könnt ihr euch in Nightingale in quasi unendlich viele Reiche stürzen. Selbst mehrere Welten mit demselben Biom könnten vollkommen unterschiedlich aussehen. Das käme auch dem Wiederspielwert zugute.
Wie lange ist das Erkunden interessant?
Trotzdem machen wir uns Sorgen darüber, ob die Erkundung der Fae-Reiche in Nightingale auf Dauer nicht doch etwas eintönig werden könnte. Zum einen stellt sich die Frage, wie viel Abwechslung die Welten tatsächlich bieten werden. Vielleicht stolpert man ständig über die gleichen Orte. Außerdem ist noch nicht absehbar, wie interessant die "Points of Interest" eigentlich ausfallen werden. Inflexion Games verspricht schon, dass in Nightingale einiges an Lore stecken soll. Unsere große Hoffnung ist, dass sich in den Welten Locations verbergen, die rein schon durch ihre Gestaltung Geschichten erzählen (Stichwort Environmental Storytelling) und Überraschungen bieten. Doch ob das wirklich der Fall sein wird? Vielleicht handelt es sich am Ende in vielen Fällen auch einfach nur um Ruinen, die einfach nur irgendwelchen Loot in sich bergen, jedoch nicht viel über diejenigen aussagen, die einst dort gelebt haben.
Es kann sein, dass die Erkundung der Welten einige Stunden lang so faszinierend ausfällt, wie wir es von einem richtig guten Open-World-Spiel erwarten. Dass man lange Zeit dieses "Oh, was ist das dahinten? Das schaue ich mir mal an"-Gefühl hat. Irgendwann wird aber der Punkt kommen, wo man die Gebiete nur noch gezielt nach Ressourcen absucht, die man fürs Crafting und den Basenbau benötigt. Je später der einsetzt, desto besser.
Man sollte gerade diesbezüglich nicht unbedingt anhand der Fassung, die zum Early-Access-Start spielbar sein wird, ein finales Urteil fällen. Inflexion Games hat schon bestätigt, im Verlauf der Weiterentwicklung mehr Reichskarten ins Spiel einzubauen und damit wird dann die prozedurale Generierung variabler, was zu vielfältigeren Welten führt. Es wäre jedoch blöd, wenn Nightingale nach dem offiziellen Release immer noch nach wenigen Stunden die Luft ausgeht, weil die Spielwelten keine Überraschungen mehr zu bieten haben.