Auf die Wii ist die Switch gefolgt. Ne, Halt! Stimmt nicht, es gab noch ein Zwischenkapitel namens Wii U. Wir blicken zurück auf einen von Nintendos wenigen großen Flops.
10 Jahre Wii U: Die vergessene Nintendo-Konsole
- Juni 2011: Reggie Fils-Aimé steht in Los Angeles auf der großen Bühne. Es ist E3 und der Chief Operation Officer von Nintendo of America hat eine große Ankündigung zu tätigen. Es geht um die sechste Heimkonsole, die das Unternehmen weltweit veröffentlichen wird (insgesamt die achte). Nachdem die Wii ein gigantischer Erfolg mit über 100 Millionen verkauften Exemplaren geworden ist, ist die Welt gespannt darauf zu erfahren, was für eine geniale Idee sich Nintendo für seine neue Hardware-Generation hat einfallen lassen. Welche Innovation folgt wohl auf das Konzept der Bewegungssteuerung, dank dem die Wii nicht nur in Zimmern eingefleischter Gaming-Fans ein Zuhause gefunden hat, sondern auch bei Leuten, die nie zuvor mit einer Konsole gespielt hatten? Was Fils-Aimé und Nintendo-Präsident Satoru Iwata dann präsentieren, sorgt eher für Ernüchterung als Begeisterung. Und das fängt schon beim Namen an: Wii U.
Namensfindung ist eine schwierige Angelegenheit
"Es ist ein System, an dem wir uns alle gemeinsam erfreuen, aber das auch für dich [Anm. d. Red.: Gemeint ist sicherlich der Einzelne vor dem Fernsehbildschirm] maßgeschneidert ist." So hat Reggie Fils-Aimé vor mittlerweile über elf Jahren versucht, den Namen der damals neuen Hardware zu erklären. Die Wii U sei laut ihm "einzigartig, vereinend, vielleicht sogar utopisch." (Im englischen Original: "Unique, unifying, maybe even utopian.") Tja, gefeiert hat den Namen trotzdem kaum jemand und er sollte sich später für Nintendo selbst als Stolperstein erweisen. Ein großer Teil der breiten Öffentlichkeit hatte schlichtweg nicht verstanden, dass es sich bei der Wii U um eine neue Konsole handelte. Viele dachten, es sei bloß eine neue Peripherie für die Wii gewesen. Tja, vielleicht spielte dabei auch eine Rolle, dass Nintendo bei der Ankündigung nur den Wii U GamePad getauften Controller gezeigt hat und nicht die Konsole selbst.
Ehrlich gesagt, war der kleine Kasten, den man sich hierzulande ab dem 30. November 2012 unter oder neben den Fernseher hat stellen können, auch ziemlich uninteressant. Das GamePad sollte das große Verkaufsargument für die Wii U sein: ein Eingabegerät mit integriertem Touchscreen. Nintendo hat sozusagen das DS-Konzept auf eine Heimkonsole übertragen. Die meiste Action findet auf dem TV-Gerät statt, aber bestimmte Spielelemente sind auf den Bildschirm des GamePads ausgelagert. Das kann etwa das Inventar oder die Karte der Spielwelt sein.
Ein weiteres Feature: Man kann die Spiele auch ausschließlich auf dem GamePad spielen, braucht also gar nicht erst den Fernseher anschalten. "Also wie bei der Switch?" Nun ja, nur in der Theorie. Das GamePad ist eben nicht die Konsole, sondern nur ein Controller. Allzu weit kann man sich nicht von der eigentlichen Hardware entfernen. Wer eine große Wohnung hat, in der Wohn- und Schlafzimmer weit auseinander liegen, kann mitunter gar nicht abends im Bett noch ein wenig weiterzocken, ohne die Wii U im Ganzen mitzunehmen.
Nintendo und die Third-Party-Software
Das Thema Dritthersteller-Software ist ebenfalls ein schwieriges im Zusammenhang mit der Wii U. Zum Start waren einige große Publisher mit an Bord: Ubisoft veröffentlichte Assassin's Creed 3, von Warner Bros. gab es Batman: Arkham City, von EA nicht nur FIFA 13, sondern auch Mass Effect 3 und Activision erfreute Shooter-Fans mit Call of Duty: Black Ops 2. Ubisoft brachte sogar einen Exklusivtitel auf den Markt: das Zombie-Survival-Spiel ZombiU.
Nicht innovativ und stark genug
Die Grundidee der Wii U ist nicht schlecht gewesen und es gibt auch Spiele, die das GamePad gut eingesetzt haben. Aber eine Revolution wie die Bewegungssteuerung der Wii war das Ganze bei Weitem nicht. Hinzu kommt, dass sich der Controller nicht sonderlich hochwertig angefühlt hat. Das GamePad wirkt eher wie "billiges" Spielzeug für Kinder als das Eingabegerät einer Konsole, die sich an alle Altersgruppen richtet – kein Vergleich zu dem Gefühl, das beispielsweise der DualSense Controller der PlayStation 5 hervorruft.
Ein anderes Problem der Wii U ist das, was sich seit dem GameCube wie ein roter Faden durch die Nintendo-Historie zieht: die geringe Hardware-Leistung. Ja, Nintendo kam endlich im HD-Zeitalter an. Es hat ja nur sechs bis sieben Jahre länger gedauert als bei der Konkurrenz. Und ja, die Hardware der Wii U ist nicht wirklich schlechter gewesen als die der PS3 und Xbox 360. Nur darf man eben nicht vergessen, wie viel früher Sony und Microsoft ihre Konsolen auf den Markt gebracht haben – und nur zwei Jahre nach Wii-U-Release setzen sie mit PS4 beziehungsweise Xbox One ordentlich einen drauf. Gegen diese Geräte sah Nintendos Plattform total alt aus.
Nach dieser Welle ebbte der Support der außenstehenden Unternehmen aber recht schnell ab. Spätestens seit dem Release von PS4 und Xbox One hatte kaum noch jemand Lust, abgespeckte Portierungen seiner Blockbuster für die kleine, schwache Nintendo-Kiste zu produzieren. Aber nicht nur der damit verbundene Aufwand war ein Argument dafür, sondern auch die Tatsache, dass sich die Wii U einfach nicht gut verkauft hat. Bis 2019(!) hat Nintendo gerade einmal 13,56 Millionen Einheiten abgesetzt. Zum Vergleich: Von der Switch gingen in fünf Jahren über 100 Millionen mehr Exemplare über die Ladentheken.
Es gab richtig gute Spiele!
Letztendlich hat Nintendo selbst Argumente in Form cooler Spiele liefern müssen, damit sich überhaupt noch irgendwer im Nachhinein eine Wii U kauft. Und es wäre gelogen zu behaupten, dass für die Konsole keine guten First-Party-Titel erschienen seien. Man denke nur mal an Mario Kart 8. Nein, das ist kein originales Switch-Spiel, sondern fand bereits 2014 den Weg in einige Wohnzimmer. Und wenn ihr uns fragt, ist das (jegliche rosarote Retro-Brille mal abgesetzt) das beste Mario Kart aller Zeiten. Das gilt nicht erst seit dem Release der Deluxe-Variante für die Switch. Schon das Basisspiel ist ein richtiger Spaßgarant gewesen, vor allem im Online-Multiplayer, aber natürlich auch im Splitscreen-Modus.
Des Weiteren hat die "Super Mario Maker"-Reihe auf der Wii U ihr Debüt gefeiert. Auf der Konsole haben die Fans des Klempners zum ersten Mal die Möglichkeit erhalten, auf offiziellem Weg eigene Jump-and-Run-Levels zu bauen – und das auf enorm komfortable Art und Weise. Weitere Highlights der Wii-U-Ära sind das gigantisch große Open-World-Rollenspiel Xenoblade Chronicles X (wann gibt es davon eigentlich mal ein Remaster für die Switch,hm?), das kunterbunte Pikmin 3 und die abgedrehte Action-Achterbahn namens Bayonetta 2. Außerdem wollen wir nicht Super Mario 3D World und Super Smash Bros. für Wii U vergessen – auch wenn Ersteres nach den beiden "Mario Galaxy"-Titeln ein wenig die frischen Ideen hat vermissen lassen, die man sich von einem neuen 3D-Mario-Spiel gewünscht hätte, und letzteres Singleplayer-Fans komplett außen vor gelassen hat.
Der Mann in Grün verschläft beinahe die Konsolengeneration
Eine große Nintendo-Marke glänzte auf der Wii U jedoch viel zu lange mit der Abwesenheit eines neuen Spiels. Die Rede ist natürlich von The Legend of Zelda. Klar, es gab HD-Neuauflagen von The Wind Waker und Twilight Princess, aber die sind ja keine Argumente dafür gewesen, sich die Konsole zu kaufen. Diese Rolle sollte das neue The Legend of Zelda übernehmen, dessen Entwicklung 2013 erstmals bestätigt wurde. Die ersten Spielszenen folgten 2014 und der Release sollte im darauffolgenden Jahr erfolgen. Tja, daraus wurde nichts. Der Release verschob sich und am Ende kam der Titel erst 2017 auf den Markt: als Teil des Launch-Line-ups der Nintendo Switch.
The Legend of Zelda: Breath of the Wild hätte der große System-Seller der Wii U sein können, verhalf dann aber der Nachfolgekonsole zu einem immens erfolgreichen Verkaufsstart. Ja, eine Wii-U-Version ist tatsächlich auch noch erschienen, aber mal ehrlich: Wer von euch hat die Open World von Breath of the Wild mit dem großen GamePad in den Händen erkundet? Jeder verbindet dieses Erlebnis doch mit der Switch, oder nicht?
Kein Kapitel, auf das man stolz sein kann
Nun sind zehn Jahre seit dem Launch der Wii U vergangen und man hat wirklich das Gefühl, die meisten Menschen haben die Konsole vergessen. Zugegeben, ihre Lebenszeit ist wahrlich nicht lang ausgefallen. Klammern wir Breath of the Wild mal aus, ist 2016 mit Paper Mario: Color Splash der letzte große Nintendo-Titel für die Plattform erschienen – nur knapp vier Jahre nach dem Launch. Die Produktion der Wii U wurde im Januar 2017 eingestellt. Zum Vergleich: Die PlayStation 3 ging erst vier Monate später endgültig in Rente. Nein, das ist echt kein glorreiches Kapitel der Nintendo-Geschichte gewesen. Aber der Konzern hat daraus gelernt und mit der Switch wieder einen richtigen Verkaufs-Hit gelandet, auch wenn es ihr genauso an Hardware-Power mangelt. Fragt sich nur, ob Nintendo mit seiner nächsten Konsole diese Berg- und Talfahrt fortsetzt oder mal zwei Generationen in Folge richtig erfolgreich sein wird.