Mensch Piranha Bytes, was habt ihr denn hier abgeliefert? Euer neues Rollenspiel wird die Spielergemeinde mal wieder entzweien. Die einen werden euch feiern für die tolle Spielwelt, die abwechslungsreichen Quests, die komplette Vertonung und die völlige Freiheit. Auf der anderen Seite wird es vielen so wie mir gehen: Euer Werk ist zu sperrig und ihr verschenkt an zu vielen Stellen vorhandenes Potential für ein wahres Meisterwerk.
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Elex: Faszinierende, aber auch schwierig zu verdauende Rollenspielkost aus Deutschland
Vorab: Dies ist kein Spieletest! Eine Wertung werde ich nicht vergeben, da ich nach zehn Stunden Spielzeit schlichtweg keine Lust mehr hatte, Elex weiterzuspielen. Gründe dafür gibt es mehrere, die ich euch in diesem Erlebnisbericht erklären möchte. Eigentlich schade, denn ich wollte gerne weiterspielen, jedoch verwehrte mir das Spiel durch bestimmte Mechaniken einfach das Erfolgserlebnis, das als Motivationshilfe benötigt gewesen wäre. In den Foren, Spielberichten und Tests ist zu lesen, dass viele enttäuscht sind von der Grafik, das Inventar zu umständlich finden oder sich über die Animationen lustig machen. All das hat mich gar nicht so sehr gestört.
Viel Liebe zum Detail
Nehmen wir das Setting und die Spielwelt. Toll umgesetzt! Auch wenn ich der Meinung bin, dass die Berserker mächtig abstinken mit ihren mittelalterlichen Nahkampfwaffen gegen die Laserwummen der Kleriker. Science-Fantasy funktioniert bei Elex eigentlich ganz gut, weil es Abwechslung bringt. Alle Fraktionen haben klare Vor- und Nachteile oder sind auf ihre Art besonders. Erst nach Stunden wusste ich, wem ich die Treue schwöre (Psst, Outlaws!). Auch das Drumherum ist sehr stimmig. Immer wieder entdecke ich interessante Details, nichts scheint wie durch einen Generator automatisch erstellt. Tag- und Nachtzyklen zaubern ab und an sogar richtig schicke Effekte auf den Monitor, wenn zum Beispiel ein Weltenbaum das Szenario bei Nacht in ein leuchtendes Rot verwandelt. Da stört es auch überhaupt nicht, dass die Texturen nicht immer superknackig scharf sind oder die Wasserfälle wirken, als ob jemand mit einem Eimer in kurzen Abständen ein paar Liter den Abhang runter kippt.
Am meisten überzeugt haben die voll vertonten Dialoge und das Design der Quests. Im Prinzip solltet ihr zu 85% davon ausgehen, dass euch die Bewohner von Magalan Bullshit erzählen. Selten ist es etwas so, wie es euch zu Beginn erzählt wurde. “Töte den Typen am Eingang der Stadt und rede auf keinen Fall mit ihm!” Äh, warum denn? Ich quatsch den trotzdem erst einmal an. Stellt sich heraus, dass die beiden seit längerem Schmuggelbuddys sind und der eine jetzt kalte Füße bekommen hat. Damit der Hasenfuß sauber aus der Sache kommt, sollte ich den Kompagnon um die Ecke bringen. Clever! Aber nicht mit mir. Selbst meinen besten Berserkerkumpel habe ich eines schweren Verbrechens überführt. So ein Mistkerl, dabei war er so zuvorkommend und freundlich gewesen.
Nein, nein, nein, nein, nein!
Kommen wir zu den Dingen, die für mich gar nicht passen und schlussendlich dazu führten, dass Elex erst einmal wieder auf dem Spielestapel landete. Eine offene Spielwelt ist toll und macht Spaß, wenn man sich von einem Gebiet ins nächste kämpfen kann. Allerdings sind in Elex die Monster quasi willkürlich verteilt und die Gegnerstärke lässt sich vorab schlecht abschätzen. Allein ein Totenkopf neben dem Charaktersymbol gibt einen Hinweis, dass jetzt wieder die Zeit zum Weglaufen gekommen ist. Weglaufen, damit habe ich ca. 30% der Spielzeit verbracht. “Oh, da ist ein Haus mit ein paar Typen vor der Eingangstür, lass uns die mal auschecken. Oh wie nett, die kommen uns ja schon entgegen gelaufen. Oh, die sind ja gar nicht freundlich. Oh, diese Zweihandaxt tut ordentlich weh. LAUF!!!!!” In welchem Gebiet bekomme ich eigentlich nicht sofort auf die Nase? Das habe ich bisher nicht gefunden. Überall holt ihr euch am Anfang eine blutige Nase.
Die Charakterentwicklung ist einfach viel zu langatmig. 500 Splitter wollen die Trainer haben, damit ich einen Fertigkeitspunkt vergeben kann. Das ist zu Beginn viel Geld, sehr viel Geld sogar. Nach fünf Stunden leistete ich mir ein komplettes Rüstungsset und eine Axt für 2400 Splitter und es fühlte sich gut an. Das waren all meine Ersparnisse, weil ich endlich eine Chance gegen das Getier außerhalb der Stadtmauern haben wollte. Geld für einen Trainer war keines mehr übrig. Dabei habe ich wirklich jede Quest angenommen und probiert sie zu lösen. Jedoch sind ausgesprochen viele davon in Gebieten, die ich nicht lebendig verlassen werde. Es gibt eben keine Hinweise, für welche Quest meine Fähigkeiten ausreichend sind. Wenn man sich auch nach zehn Stunden Spielzeit noch fühlt wie ein impotenter Kacknoob, dann ist das nicht sehr motivierend!
Rollenspieler sind in der Regel auch Jäger und Sammler, die sich und ihre Ausrüstung stetig verbessern wollen. Allerdings gibt es erschreckend wenig Brauchbares zu finden. Am Ende meiner Spielzeit hatte ich eine Axt, ein Lasergewehr, einen Bogen und einen mächtigen Zweihandhammer gefunden. Die Rüstung war komplett gekauft. Dadurch verschwindet vollkommen das Element des Vergleichens und Optimierens von Ausrüstung. Und das finde ich sehr schade. Klar, man kann Gegenstände herstellen oder verbessern, indem man etwas in Sockel steckt. Aber dafür fehlten mir bis zuletzt die Fertigkeiten beziehungsweise das Geld.
Hauen, stechen, laufen
Über das Kampfsystem haben wir noch gar nicht gesprochen, denn auch hier wirkt Elex wie ein schwerfälliger Dinosaurier. Nach zwei bis drei Hieben mit der Axt geht meinem Charakter bereits die Luft aus. Nicht einmal zur Seite springen möchte er nunmehr. Was mache ich also? Laufe im Kreis, warte darauf, dass der Gegner selbst zum Schlag oder Sprung ausholt und falle ihm dann in den Rücken. Kombinierte Angriffe habe ich noch nicht einmal hinbekommen, weil die Ausdauer schlicht nicht ausreicht, um die entsprechende Leiste zu füllen. Mag sein, dass dies alles später besser wird, sobald mehr Fertigkeits- und Attributspunkte verteilt sind, aber zu dem Abschnitt des Spiels bin ich nicht mehr vorgedrungen.
Vielleicht habe ich mich einfach zu dämlich angestellt. Aber für mich hat Elex in zentralen Disziplinen eines Rollenspiels versagt: Charakterentwicklung, Kampfsystem und Ausrüstung sind in meinen Augen nicht gut umgesetzt. Es dauert viel zu lange, bis ich vom schwachen Würmlein zum zumindest ernst zu nehmenden Abenteurer werde, der nicht vor 98% der Gegner ängstlich davonlaufen muss. Natürlich hätte ich über weite Teile auf einen Gefährten vertrauen können, den ich die Drecksarbeit erledigen lasse, aber dann wäre ich nicht der Held, sondern nur ein Parasit, der sich mitziehen lässt.