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Autor: Ahmet Iscitürk

Red Dead Redemption 2 wurde auf 2018 verschoben, um die bestmögliche Qualität zu gewährleisten. Was ich mich frage: Ist das für die Angestellten von Rockstar San Diego jetzt gut oder schlecht?

Dass Rockstar San Diego nicht zu den beliebtesten Arbeitgebern gehört, ist ja schon etwas länger bekannt. Bereits vor etwa sechs Jahren hatte sich ein Ex-Mitarbeiter in seinem Blog “My Life at Rockstar Games“ über die katastrophalen Zustände in der Hit-Schmiede beschwert. Weitere Mitarbeiter folgten seinem Beispiel und nutzten die Gelegenheit, um sich ebenfalls über das Unternehmen auszukotzen. Rockstar San Diego spielte die Vorwürfe herunter. Frei nach dem Motto: Man solle Meinungen in anonymen User-Foren nicht als Fakt betrachten.

Natürlich kann es sein, dass einige der Vorwürfe und Schilderungen unwahr sind. Allerdings muss man lediglich einen Blick auf die Bewertungen bei glassdoor.de werfen, um zu erkennen, dass in Sachen Mitarbeiterführung einiges im Argen liegt. Auf der Webseite können Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber anonym bewerten. Rockstar San Diego erreicht dort 1,8 von 5 Sternen. Ein geradezu jämmerliches Ergebnis.

Ein paar Auszüge gefällig?

Was mich interessiert: Red Dead Redemption 2 wurde ja auf 2018 verschoben. Ist das gut für die Mitarbeiter, weil sie jetzt mehr Zeit haben und deshalb dieses Jahr nur noch 50 Stunden pro Woche arbeiten müssen? Oder ist die Verschiebung schlecht für die Angestellten, weil ihre Leidensphase dadurch um ein paar Monate verlängert wird? Vielleicht liest ja einer der Geschändeten mit und beantwortet die Frage anonym.

Man darf dabei nicht vergessen, dass Rockstar San Diego kein Einzelfall ist. Immer wieder liest man von Studios, die ihre Mitarbeiter während der Entwicklung wichtiger Titel komplett aussaugen, um dann die Hälfte der Belegschaft zu entlassen, sobald das Spiel veröffentlicht wird. Nach dem Release von Mass Effect: Andromeda kotzte sich beispielsweise ein ehemaliger Bioware-Mitarbeiter im Netz aus. Er bemängelte, dass in fünf Jahren Mass-Effect-Entwicklung sage und schreibe 13 Führungskräfte BioWare Montreal verlassen haben.

Ist es nicht interessant, dass wir in Bio-Läden spazieren, um Produkte aus artgerechter Haltung zu kaufen, während es uns egal scheint, unter welchen Umständen unsere Lieblingsspiele entstehen? Vielleicht sollte man eine spezielle Zertifizierung einführen: „Spiele aus artgerechter Haltung“.

Findet sich dieser Aufkleber auf dem Spiele-Cover, können wir guten Gewissens zugreifen. Fehlt das Zertifikat, dann kann man davon ausgehen, dass ein Titel unter schrecklichen Bedingungen entstanden ist.

Ich kenne einen Grafiker, der in der Spieleentwicklung tätig ist und hier ist sein unzensierter Kommentar zum Thema: "Spiele-Entwickler sind in den meisten Fällen krasse Nerds und wieviele Nerds verfügen über soziale Kompetenz? Wahrscheinlich 1 von 1000. Ein schüchternes Pickelgesicht, das in seinem Kinderzimmer Counter-Strike-Mods gebastelt hat, leitet plötzlich ein Entwickler-Team. Das geht wirklich schneller als man denkt. Gestern noch war Mutti dein einziger sozialer Kontakt und heute sollst Du 200 Mitarbeiter koordinieren. Wer im Grunde seines Herzens ein Arschloch ist, entwickelt sich dann zum Tyrannen, während die Zartbesaiteten lieber den Kopf in den Sand stecken. Beide Optionen sind suboptimal fürs Betriebsklima. Deshalb arbeite ich als Freelancer, von zu Hause aus."

Das sind doch tröstende Worte. Zum Glück habe ich kein Gewissen mehr, deshalb werde ich nächstes Jahr unzählige Stunden mit Red Dead Redemption 2 verbringen, obwohl während der Entwicklung womöglich hunderte Mitarbeiter durch die Hölle gehen. Ich sitze schließlich auch bei Sonnenschein vor dem Rechner und tippe diesen Bullshit, während der Rest der Menschheit glücklich im Freibad umherplanscht. Die gesamte menschliche Zivilisation basiert quasi auf der Ausbeutung von uns Unterprivilegierten. Ich hoffe, ihr schämt euch!

Ahmet Iscitürk schreibt seit 1998 über Spiele und vieles mehr. Seine Texte sind schlecht und er schämt sich dafür.

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